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Wallander 06 - Die fünfte Frau

Wallander 06 - Die fünfte Frau

Titel: Wallander 06 - Die fünfte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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behandeln. Und sei es nur, um in seinem eigenen müden Kopf die Einzelheiten nicht durcheinanderzubringen. Auch das war etwas, was Rydberg ihm immer wieder eingeschärft hatte. Eine Verbrechensermittlung ist eine Art Baustelle. Alles muß in der richtigen Reihenfolge getan werden, damit es funktioniert.
    »Als erstes müssen wir uns ein Bild von Holger Eriksson und seinem Leben machen«, sagte Wallander. »Aber bevor wir die Arbeit aufteilen, will ich darzustellen versuchen, wie die Sache meines Erachtens abgelaufen ist.«
    Sie saßen am großen runden Küchentisch. In einiger Entfernung konnten sie durch die Fenster die Absperrungen erkennen. Nyberg stand wie eine gelbe Vogelscheuche im Lehm und fuchtelte mit den Armen. Wallander stellte sich seine erschöpfte und irritierte Stimme vor. Aber er wußte, daß Nyberg tüchtig und genau war. Wenn er mit den Armen fuchtelte, hatte er Grund dazu.
    Wallander spürte, wie sich die Aufmerksamkeit der Kollegen schärfte. Er hatte es schon häufig erlebt. Genau in diesem Moment fing die Ermittlungsgruppe an, Witterung aufzunehmen.
    »Ich glaube, es ist folgendermaßen vor sich gegangen«, begann Wallander, und jetzt sprach er langsam und wählte seine Worte mit Bedacht. »Irgendwann nach zehn Uhr am Mittwoch abend, oder vielleicht erst früh am Donnerstag morgen, verläßt Holger Eriksson das Haus. Er schließt das Haus nicht ab, weil er die Absicht hat, bald zurückzukommen. Außerdem bleibt er auf seinem Grundstück. Er hat ein Fernglas bei sich. Nyberg hat festgestellt, daß es ein Nachtglas ist. Er geht den Pfad zum Graben hinunter, über den er einen Plankensteg gelegt hat. Vermutlich ist er auf dem Weg zum Turm auf dem Hügel auf der anderen Seite des Grabens gewesen. Eriksson interessierte sich für Vögel. Gerade jetzt, im September und Oktober, machen sich die Zugvögel auf nach Süden. Ich weiß nicht viel darüber, wie das vor sich geht und in welcher Reihenfolge sie fliegen. Aber ich habe gehört, daß die meisten und größten Schwärme nachts fliegen und navigieren. Das kann das Nachtglas und den Zeitpunkt erklären. Er hat den |89| Steg betreten, der glatt durchgebrochen ist, weil die Planken vorher fast ganz durchgesägt worden sind. Er fällt hinunter in den Graben, vornüber, und wird auf den Stäben aufgespießt. Wenn er noch um Hilfe gerufen hat, so hat niemand ihn gehört. Das Haus liegt, wie wir ja sehen, sehr einsam. Es hat den Namen ›Abgeschiedenheit‹ nicht ohne Grund.«
    Er goß sich aus einer der Polizeikannen Kaffee ein, bevor er fortfuhr. »So, glaube ich, ist es vor sich gegangen, und es wirft entschieden mehr Fragen auf, als es Antworten gibt. Aber hier müssen wir anfangen. Wir haben es mit einem sorgfältig geplanten Mord zu tun. Brutal und grausam. Wir haben kein offensichtliches oder auch nur denkbares Motiv und auch keine entscheidenden Spuren.«
    Es wurde still. Wallander ließ den Blick um den Tisch wandern. Schließlich brach Ann-Britt Höglund das Schweigen. »Eins ist wichtig. Wer das getan hat, hatte keinerlei Ehrgeiz, seine Tat zu verbergen.«
    Wallander nickte. Er hatte auf genau diesen Punkt noch kommen wollen. »Ich glaube, es ist sogar noch schlimmer«, sagte er. »Diese bestialische Falle kann man als reine Demonstration von Grausamkeit interpretieren.«
    »Suchen wir also wieder nach einem Wahnsinnigen?« fragte Svedberg.
    Alle wußten, was er meinte. Der Sommer lag noch nicht lange zurück.
    »Die Möglichkeit können wir nicht ausschließen«, sagte Wallander. »Wir können überhaupt nichts ausschließen.«
    »Es ist wie eine Bärengrube, oder etwas, was man in einem alten Kriegsfilm aus Asien mal gesehen hat«, sagte Hansson. »Sonderbare Kombination, eine Bärenfalle und ein Vogelgucker.«
    »Oder Autohändler«, warf Martinsson ein, der bisher geschwiegen hatte.
    »Oder Dichter«, sagte Ann-Britt Höglund. »Ganz schöne Auswahl.«
    Inzwischen war es halb acht. Die Besprechung war beendet. Bis auf weiteres würden sie sich in Holger Erikssons Küche treffen. Svedberg fuhr los, um noch einmal ein Gespräch mit Sven Tyrén |90| und dem Mädchen bei der Heizölfirma zu führen, das die Bestellung von Holger Eriksson angenommen hatte. Ann-Britt Höglund sollte alle Nachbarn in der Umgebung aufsuchen und befragen. Wallander fiel die Post im Briefkasten ein, und er bat die Kollegin, auch mit dem Landbriefträger zu sprechen. Hansson sollte mit einem von Nybergs Technikern das Haus durchsuchen, und Lisa Holgersson und

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