Wallander 06 - Die fünfte Frau
Gedächtnis auffrischen. Dann gehe ich in Runfelts |204| Wohnung. Ich denke, ich bin um drei Uhr da. Es wäre gut, wenn Vanja Andersson hinkommen könnte.«
»Ich kümmere mich darum.«
Sie beendeten das Gespräch. Wallander ließ den Motor an und fuhr nach Lödinge. Er sah noch lange nicht klar. Aber ein Stück weit war er gekommen. Er hatte eine Skizze für den weiteren Gang der Ermittlung im Kopf. Dabei war sein Lot in Tiefen eingedrungen, die größer waren, als er geahnt hatte.
Er war nicht ganz ehrlich gewesen, als er Ann-Britt Höglund sagte, der Zweck seines Besuchs in Holger Erikssons Haus sei das Bedürfnis, sein Gedächtnis aufzufrischen. Wallander wollte das Haus sehen, bevor er in Gösta Runfelts Wohnung ging. Er wollte sehen, ob es Ähnlichkeiten gab. Wo die Unterschiede lagen.
Als er auf Holger Erikssons Grundstück einbog, standen dort schon zwei Autos. Er fragte sich verwundert, wer die Besucher sein könnten. Journalisten, die einen Herbsttag damit verbrachten, düstere Fotos vom Ort eines Verbrechens zu machen? Wallander erhielt die Antwort, als er den Hof betrat. Dort standen ein Rechtsanwalt aus Ystad, den Wallander schon früher getroffen hatte, und zwei Frauen, eine ältere und eine in Wallanders Alter. Bjurman, der Anwalt, begrüßte ihn und gab ihm die Hand.
»Ich bin Holger Erikssons Testamentsvollstrecker«, sagte er erklärend. »Wir glaubten, die Polizei sei fertig mit den Untersuchungen hier. Ich habe im Präsidium angerufen.«
»Wir sind erst fertig, wenn wir den Täter gefaßt haben«, antwortete Wallander. »Aber wir haben nichts dagegen, daß Sie durchs Haus gehen.«
Er erinnerte sich, in den Ermittlungsunterlagen gelesen zu haben, daß Bjurman Holger Erikssons Testamentsvollstrecker war. Er glaubte auch, sich erinnern zu können, daß Martinsson Kontakt zu ihm aufgenommen hatte.
Bjurman stellte Wallander den beiden Frauen vor. Die ältere nahm auffallend gemessen seine Hand, als sei es unter ihrer Würde, sich mit Polizeibeamten zu befassen. Wallander, der auf dünkelhafte Menschen äußerst empfindlich reagierte, war sofort verärgert. Aber er beherrschte sich. Die andere Frau war freundlich.
|205| »Frau Mårtensson und Frau von Fessler sind vom Museum in Lund«, sagte Bjurman. »Holger Eriksson hat dem Museumsverein den größten Teil seiner Hinterlassenschaft überschrieben. Er hat sehr genaue Aufstellungen des Inventars gemacht. Wir wollten gerade alles durchgehen.«
»Sagen Sie Bescheid, wenn etwas fehlt«, meinte Wallander. »Ansonsten will ich nicht stören. Ich bleibe nicht lange.«
»Hat die Polizei den Mörder wirklich nicht ermittelt?« fragte die ältere der beiden, Frau von Fessler. Wallander empfand ihre Worte als eine Feststellung und als eine kaum verhohlene Kritik.
»Nein«, sagte er. »Die Polizei hat nicht.«
Wallander sah ein, daß er das Gespräch beenden mußte, bevor er wütend wurde. Er wandte sich um und ging aufs Haus zu, dessen Außentür offenstand. Um sich aus dem Gespräch herauszuhalten, das draußen auf dem Hof geführt wurde, machte er die Tür hinter sich zu. Eine Maus huschte an seinen Füßen vorbei und verschwand hinter einer alten Kleidertruhe an der Wand. Es ist Herbst, dachte Wallander. Die Feldmäuse beziehen ihr Winterquartier.
Er ging durchs Haus, langsam und konzentriert. Er suchte nichts Spezielles, wollte sich nur alles im Haus einprägen. Es dauerte gut zwanzig Minuten. Bjurman und die beiden Frauen befanden sich in einem der anderen Flügel, als er das Haus verließ. Wallander beschloß zu gehen, ohne sich zu verabschieden. Erst als er bei seinem Auto war, hielt er inne. Es war etwas, das Bjurman gesagt hatte. Es dauerte einen Moment, bis es ihm einfiel. Er ging zurück zum Haus. Bjurman und die beiden Frauen waren noch in den Seitenflügeln. Er schob die Tür auf und winkte Bjurman zu sich.
»Was haben Sie vorhin von dem Testament gesagt?«
»Holger Eriksson hat das meiste dem Museumsverein in Lund vermacht.«
»Das meiste? Das heißt, daß nicht alles dahin geht?«
»Es gibt noch eine Verfügung über 100 000 Kronen, die anderswohin gehen. Das ist alles.«
»Wohin?«
»An eine Kirche im Kirchspiel Berg. Svenstaviks kyrka. Als Schenkung. Zur freien Verfügung des Vorstands.«
|206| Wallander hatte noch nie von dem Ort gehört.
»Liegt Svenstavik in Schonen?« fragte er.
»Es liegt im südlichen Jämtland«, antwortete Bjurman. »Zwanzig, dreißig Kilometer von der Grenze zu Härjedalen.«
»Was hatte
Weitere Kostenlose Bücher