Wallander 06 - Die fünfte Frau
Gedanken unterbrochen. Er hatte Svedbergs Frage gehört. Aber er zögerte mit der Antwort. Er versuchte noch zu verstehen, was der erste Eindruck ihm sagte. Warum hatte Gösta Runfelt diesen Kellerraum gemietet und die Zahlungen von seiner übrigen Buchführung getrennt gehalten? Warum wußte Vanja Andersson nichts davon? Und am wichtigsten: Wozu hatte er den Raum benutzt?
»Kein Bett«, sagte Svedberg. »Ein heimliches Liebesnest scheint es also nicht gewesen zu sein.«
»Hier unten würde keine Frau romantisch werden«, bestätigte Ann-Britt Höglund.
|216| Wallander hatte noch immer nicht auf Svedbergs Frage geantwortet. Warum hatte Gösta Runfelt dieses Büro geheimgehalten? Denn ein Büro war es. Daran gab es keinen Zweifel.
Wallander ließ den Blick über die Wände gleiten. Dort war noch eine Tür. Er nickte Svedberg zu. Der trat heran und legte die Hand auf die Klinke. Die Tür war offen. Er schaute hinein.
»Es sieht nach einem Fotolabor aus«, sagte er. »Voll eingerichtet.«
In diesem Augenblick begann sich Wallander zu fragen, ob es nicht trotz allem eine ganz einfache und plausible Erklärung für diesen Kellerraum gab. Runfelt hatte viel fotografiert. Das konnten sie in seiner Wohnung sehen. Er hatte eine große Fotosammlung mit Orchideen aus aller Welt. Menschen waren fast nie auf seinen Fotografien, und viele Bilder waren schwarzweiß, obwohl die Orchideen sehr schöne Farben hatten und einen Mann mit einer Kamera gereizt haben müßten.
Wallander und Ann-Britt Höglund schauten über Svedbergs Schultern. Es war tatsächlich ein kleines Fotolabor. Wallander entschied, daß sie nicht auf Nyberg zu warten brauchten. Sie konnten den Raum selbst durchsuchen.
Als erstes hatte er nach einem Koffer Ausschau gehalten, aber keinen gesehen. Er setzte sich in den Schreibtischstuhl und begann in den Papieren, die auf dem Schreibtisch lagen, zu blättern. Svedberg und Ann-Britt Höglund konzentrierten sich auf die Aktenschränke. Wallander erinnerte sich dunkel daran, daß Rydberg vor unendlich langer Zeit, an einem der vielen Abende, an denen sie auf seinem Balkon gesessen und Whisky getrunken hatten, darüber sinnierte, daß die Aufgaben eines Kriminalpolizisten und eines Revisors vieles gemeinsam hatten. Beide widmeten einen Großteil ihrer Zeit der Durchsicht von Papieren. Wenn das stimmt, dann bin ich gerade mit der Revision der Papiere eines toten Mannes beschäftigt, in dessen Buchführung, wie auf einem Geheimkonto, ein Büro mit der Adresse Harpegatan in Ystad auftaucht.
Wallander zog die Schreibtischschubfächer heraus. In der obersten lag ein tragbarer Computer. Wallanders Fähigkeiten im Umgang mit Computern waren begrenzt. Oft mußte er jemanden um |217| Hilfe bitten, wenn er an dem Gerät arbeiten sollte, das in seinem Zimmer im Präsidium stand. Sowohl Svedberg als auch Ann-Britt Höglund waren an den Umgang mit Computern gewöhnt und betrachteten sie als ganz normale Arbeitsgeräte.
»Laßt uns einmal nachsehen, was sich in dem hier verbirgt«, sagte er und hob den Laptop auf den Schreibtisch. Er stand auf, Ann-Britt Höglund übernahm seinen Platz. Neben dem Schreibtisch war eine Steckdose. Sie öffnete den Computer und schaltete ihn ein. Nach einem kurzen Augenblick leuchtete der Bildschirm auf. Svedberg wühlte noch in einem der Aktenschränke. Sie drückte ein paar Tasten und war im Programm.
»Kein Password«, sagte sie.
Wallander beugte sich vor, um besser zu sehen. So nah, daß er den Duft ihres diskreten Parfüms wahrnahm. Er dachte an seine Augen. Er durfte nicht mehr warten. Er brauchte eine Brille.
»Das ist ein Register«, sagte sie. »Personennamen.«
»Versuch mal, ob Harald Berggren dabei ist«, sagte er.
Sie blickte ihn erstaunt an. »Glaubst du das?«
»Ich glaube gar nichts«, sagte er. »Aber wir können es ja versuchen.«
Svedberg stand jetzt auch neben Wallander. Ann-Britt suchte im Register. Dann schüttelte sie den Kopf.
»Holger Eriksson?« schlug Svedberg vor.
Wallander nickte. Sie suchte. Nichts.
»Geh aufs Geratewohl ins Register«, sagte Wallander.
»Hier haben wir einen Mann namens Lennart Skoglund«, sagte sie. »Versuchen wir den mal?«
»Aber verdammt, das ist doch Nacka!« platzte Svedberg heraus.
Sie sahen ihn verständnislos an.
»Es gab einen bekannten Fußballspieler, Lennart Skoglund«, sagte Svedberg. »Er wurde Nacka genannt. Ihr müßt doch von ihm gehört haben.«
Wallander nickte. Ann-Britt Höglund dagegen kannte ihn
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