Wallander 08 - Die Brandmauer
wütend.
»Du wirst doch wohl auf die Frage antworten können? Hast du den Film gesehen?«
»Ja, hab ich«, fauchte sie.
»Wovon handelt er?«
»Herrgott!«
»Handelt er von Gott?«
»Auf eine Weise schon. Er handelt von einem Anwalt, der eigentlich der Teufel ist.«
»Ist das alles?«
»Reicht das nicht? Warum willst du das wissen? Hast du Alpträume?«
»Ich stecke in einer Mordermittlung. Warum hat eine Neunzehnjährige das Filmplakat an der Wand?«
»Vermutlich schwärmt sie für Al Pacino. Oder sie liebt den Teufel. Woher soll ich das wissen, verdammt noch mal?«
|289| »Mußt du unbedingt fluchen?«
»Ja.«
»Wovon handelt er noch?«
»Warum leihst du ihn dir nicht aus? Es gibt ihn bestimmt auf Video.«
Wallander kam sich vor wie ein Idiot. Daran hätte er denken müssen. Er hätte in eine der Videotheken in der Stadt gehen sollen, statt Linda wütend zu machen.
»Tut mir leid, daß ich dich gestört habe«, sagte er.
Ihr Ärger war verflogen. »Ist schon in Ordnung. Aber ich muß jetzt Schluß machen.«
»Ich weiß. Tschüß dann.«
Er legte den Hörer auf. Sofort klingelte es. Zögernd nahm er den Hörer wieder ab. Es konnte ein Journalist sein. Und wenn er eins jetzt nicht ertrug, dann jemanden, der ihn interviewen wollte.
Zuerst erkannte er die Stimme nicht wieder. Dann hörte er, daß es Siv Eriksson war. »Ich hoffe, ich störe nicht«, sagte sie.
»Überhaupt nicht.«
»Ich habe noch einmal nachgedacht. Ich habe überlegt, wie ich Ihnen helfen kann.«
Lade mich ein, dachte Wallander. Wenn du mir wirklich helfen willst. Ich bin hungrig und durstig. Ich will nicht länger in dieser verdammten Wohnung sitzen.
»Ist Ihnen etwas eingefallen?« fragte er dann so förmlich, wie es ihm möglich war.
»Leider nicht. Ich nehme an, seine Frau kennt ihn am besten. Oder seine Kinder.«
»Wenn ich Sie richtig verstanden habe, hatte er viele verschiedene Aufträge. Hier in Schweden und im Ausland. Er war eine Kapazität, und er war gefragt. Hat er je etwas über seine Arbeit geäußert, was Sie gewundert hat? Etwas Unerwartetes?«
»Er sagte sehr wenig. Er war vorsichtig mit Worten. Er war vorsichtig in allem.«
»Können Sie das etwas ausführlicher beschreiben?«
»Manchmal hatte ich das Gefühl, daß er ganz woanders war. Wir diskutierten zum Beispiel über ein Problem. Er hörte zu, und er antwortete. Aber trotzdem war es, als sei er nicht da.«
|290| »Wo war er denn?«
»Das weiß ich nicht. Er war sehr geheimnisvoll. Das geht mir jetzt auf. Damals glaubte ich, er sei schüchtern. Oder geistesabwesend. Jetzt glaube ich das nicht mehr. Wenn ein Mensch tot ist, verändert sich sein Bild in der Erinnerung.«
Wallander dachte an seinen eigenen Vater. Aber er fand nicht, daß sein Vater ihm jetzt, nach seinem Tod, anders erschien als zu seinen Lebzeiten.
»Und Sie wissen nicht, woran er eigentlich gedacht hat?« fuhr er fort.
»Im Grunde nicht.«
Die Antwort blieb gewissermaßen in der Schwebe, fand Wallander. Er wartete auf die Fortsetzung.
»Ich habe eigentlich nur eine Erinnerung, die irgendwie abweicht. Und das ist nicht viel. Gemessen daran, daß wir uns immerhin seit einigen Jahren kannten.«
»Erzählen Sie.«
»Es war vor zwei Jahren. Im Oktober oder Anfang November. Er kam eines Abends zu mir und war sehr aufgewühlt. Das konnte er nicht verbergen. Wir hatten einen sehr dringenden Auftrag. Ich glaube, es war etwas für die Landwirtschaftskammer. Ich fragte ihn natürlich, was passiert sei. Er sagte, er sei Zeuge eines Streits zwischen ein paar Teenagern und einem älteren Mann geworden, der offenbar ein wenig betrunken war. Als der Mann versucht habe, sich zu verteidigen, hätten sie ihn niedergeschlagen. Und ihn getreten, als er am Boden lag.«
»War das alles?«
»Reicht das nicht?«
Wallander dachte nach. Tynnes Falk hatte reagiert, weil ein Mensch ein Opfer von Gewalt geworden war. Aber was das zu bedeuten hatte, war Wallander nicht sogleich klar. Auf jeden Fall nicht in bezug auf ihre Ermittlungen.
»Hat er nicht eingegriffen?«
»Nein. Er war nur entrüstet.«
»Was sagte er?«
»Daß es das Chaos sei. Daß die Welt ein Chaos sei. Daß es sich kaum noch lohnte.«
|291| »Daß was sich nicht lohnte?«
»Ich weiß nicht. Ich hatte den Eindruck, daß es auf eine Weise der Mensch an sich war, der sich nicht lohnte. Wenn das Tierische die Oberhand gewann. Als ich versuchte, ihn zu fragen, winkte er ab. Wir sprachen nie mehr darüber.«
»Wie interpretieren Sie
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