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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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hatte das Gespräch geendet. Wallander hörte im Hintergrund eine Tür, die geöffnet und geschlossen wurde. Er ging methodisch das Material durch, das er über von Enkes Verschwinden gesammelt hatte, und dachte, dass er zumindesteine Schlussfolgerung ziehen konnte. Håkan von Enke war schon so lange verschwunden, dass erfahrungsgemäß davon auszugehen war, dass er tot war. Aber Wallander beschloss, ihn noch eine Zeitlang als lebendig zu betrachten.
    Nach einer Weile schob er die Mappe zur Seite und lehnte sich zurück. Vielleicht wusste Håkan schon in dem fensterlosen Raum in Djursholm, dass er bald verschwunden sein würde. Hoffte er, dass ich in dem, was er mir erzählte, etwas zwischen den Zeilen lesen würde?
    Wallander richtete sich mit einem ungeduldigen Ruck auf. Zu viel Stillstand, er wollte weiter. Er ging ins Internet und begann zu suchen. Was er suchte, hätte er nicht sagen können. Er suchte aufs Geratewohl, und doch auch wieder nicht. Er klickte sich durch die gesamte offizielle Information, die die Marine anbot. Schritt für Schritt verfolgte er die Spuren der Karriere von Håkan von Enke. Sie war geradlinig, aber ohne aufsehenerregende schnelle Beförderungen. Im Jahrgang des verschwundenen Korvettenkapitäns fand Wallander mehrere Beispiele von Personen, die entschieden rasanter Karriere gemacht hatten. Nachdem er ungefähr eine Stunde herumgesurft war, erschien ein Foto auf dem Monitor, bei dem Wallander innehielt. Das Bild war bei einem Empfang für ausländische Militärattachés im Außenministerium aufgenommen worden. In einer Gruppe junger Offiziere stand Håkan. Er lächelte in die Kamera. Ein selbstsicheres, offenes Lächeln. Wallander betrachtete das Bild nachdenklich. Ich versuche, an einen Punkt zu gelangen, wo ich klarer sehe, dachte er. Wo ich etwas erkenne, was mir verrät, wer der besorgte Mann war, den ich in Djursholm getroffen habe.
    Er zuckte zusammen, als es an die Tür klopfte. Bevor er herein sagen konnte, ging die Tür auf. Nyberg stand da, in einer hellblauen Jacke und mit einer Schirmmütze auf dem Kopf.
    Als er Wallander sah, stutzte er. »Ich dachte, hier wäreniemand«, sagte er. »Ich mache immer das Licht aus, das unnötig brennt. Man sieht das Licht auf der Schwelle. Ich nehme an, es ist eine ziemlich sinnlose Beschäftigung. Aber man soll ja keine Energie verschwenden.«
    »Warum klopfst du, wenn du glaubst, dass niemand hier ist?«
    Nyberg nahm sein Käppi ab und kratzte sich am Kopf. Ständig die gleiche Bewegung, dachte Wallander. Seit ich ihn kenne, tut er das, wenn er verlegen ist. Was ich wohl mache, wenn ich unschlüssig und in Zweifel bin?
    »Darauf kann ich dir wohl keine gute Antwort geben«, sagte Nyberg. »Es ist eine Angewohnheit. Man klopft an eine Tür, bevor man eintritt. Ich dachte übrigens, dass du in Urlaub wärst.«
    »Das bin ich auch. Ich beschäftige mich nur mit Lindas verschwundenen Schwiegereltern.«
    Nyberg nickte. Wallander hatte mehrfach mit Nyberg über das Geschehene gesprochen. Er hatte Respekt vor seiner Meinung, auch wenn mit Nyberg nicht immer leicht zusammenzuarbeiten war. Seine cholerischen Ausbrüche waren berüchtigt, allerdings blieb Wallander inzwischen weitgehend von ihnen verschont. Vor allem Gerichtsmediziner und Kriminaltechniker lebten unter Nybergs drohendem Schlagschatten.
    Nyberg stand noch mit dem Käppi in der Hand da. »Weißt du eigentlich, dass ich im Juli in Pension gehe?«
    »Nein, das wusste ich nicht.«
    »Ich finde, es reicht jetzt.«
    Wallander war aufrichtig erstaunt. Er hatte die unreflektierte Vorstellung gehabt, dass Nyberg immer da sein würde, im Dienst, Tag für Tag, bei Sonne oder kaltem Regen, ständig bei verschiedenen Ermittlungen in der lehmigen Erde auf Spurensuche. In grauer Vorzeit war Nyberg einmal verheiratet gewesen, und er hatte auch Kinder. Dennoch war er stets der einsame Mann im grünen Käppi, der seine Wutanfällebekam, der jedoch auch der Geschickteste unter den Geschickten war, wenn es um die Arbeit ging.
    »Was willst du dann machen?«, fragte Wallander lahm. »Pensionärsdasein?«
    »Ich ziehe weg von hier«, gab Nyberg zurück. »Weit, weit weg.«
    »Darf man fragen, wohin? Spanien?«
    Nyberg starrte ihn an, als hätte er etwas direkt Verwerfliches gesagt. Wallander fragte sich kurz, ob es jetzt vielleicht doch zu einem der berühmten Wutausbrüche kam.
    »Was soll ich denn in Spanien. Schwitzen? Ich ziehe nach Norden. Ich habe mir ein schönes altes, aber stark

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