Wallander 09 - Der Feind im Schatten
Schwarzgeld?«
»Sie hatte eine Kontovollmacht. Keiner von uns hatte ein schlechtes Gewissen. Wir fanden beide, dass die schwedische Steuerlast unverschämt hoch ist.«
»Warum brauchtest du jetzt Geld?«
»Weil das, was ich dabei hatte, ausgegeben war. Auch wenn man spartanisch lebt, braucht man immer Geld.«
Wallander ließ die Reise nach Kopenhagen auf sich beruhen und kehrte nach Djursholm zurück. »Eins frage ich mich, und nur du kannst darauf antworten. Als wir in Djursholm auf der Terrasse standen, bemerktest du hinter meinem Rücken einen Mann. Ich gebe zu, dass ich über diesen Augenblick viel nachgegrübelt habe. Wer war der Mann?«
»Ich weiß es nicht.«
»Aber du wurdest unruhig, als du ihn entdecktest.«
»Ich hatte Angst.«
Die Antwort war wie ein Aufschrei. Wallander war auf der Hut. Vielleicht war die lange Flucht für von Enke eine allzu große Belastung gewesen.
Er nahm sich vor, behutsamer fortzufahren. »Was glaubst du, wer es war?«
»Ich habe schon gesagt, dass ich es nicht weiß. Es ist auch nicht wichtig. Er war da, um mich durch seine Anwesenheit zu erinnern. Das glaube ich auf jeden Fall.«
»Woran? Erspar mir doch, dir alles einzeln aus der Nase ziehen zu müssen.«
»Irgendwie mussten Louises Kontaktleute gemerkt haben, dass ich sie verdächtigte. Vielleicht hatte sie selbst ihnen gesagt, dass ich begriffen hätte, was vorging. Es war früher schon vorgekommen, dass ich mich beobachtet fühlte. Aber noch nie so deutlich wie an jenem Abend in Djursholm.«
»Du meinst also, du wurdest beschattet?«
»Nicht regelmäßig. Aber manchmal merkte ich, dass jemand mir folgte.«
»Wie lange ging das schon so?«
»Ich weiß nicht. Es kann schon lange so gewesen sein, ohne dass ich etwas merkte. Viele Jahre.«
»Gehen wir von der Terrasse wieder hinein«, fuhr Wallander fort. »In das fensterlose Zimmer. Du wolltest, dass wir uns zurückzögen, du wolltest mit mir sprechen. Aber ich weiß noch immer nicht, warum du mich zu deinem Beichtvater ausersehen hast.«
»Das war nicht im Geringsten geplant, sondern die Eingebung eines Augenblicks. Ich wundere mich selbst über die spontanen Beschlüsse, die ich zuweilen fasse. Ich nehme an, das geht dir auch so? Die Veranstaltung war schrecklich. Ich wurde fünfundsiebzig und gab ein Fest, das ich überhaupt nicht wollte. Ich wurde von etwas befallen, was an Panik grenzte.«
»Später habe ich mir gedacht, dass in allem, was du gesagt hast, eine verborgene Mitteilung steckte. Habe ich recht mit meiner Vermutung?«
»Nein. Ich wollte einfach nur erzählen. Vielleicht erkennen, ob ich es zu einem späteren Zeitpunkt wagen würde, dir mein Geheimnis anzuvertrauen: Dass ich mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Landesverräterin verheiratet war.«
»Hattest du niemand sonst, mit dem du reden konntest? Zum Beispiel Sten Nordlander? Dein bester Freund?«
»Ich schämte mich schon bei dem Gedanken, ihm mein Elend zu offenbaren.«
»Steven Atkins? Dem hast du immerhin von deiner Tochter erzählt.«
»Ich war betrunken. Wir hatten eine Menge Whisky getrunken. Ich bereute nachher, etwas gesagt zu haben, und glaubte, er hätte es vergessen. Jetzt sehe ich, dass es nicht so war.«
»Er ging davon aus, dass ich es wüsste.«
»Was sagen meine Freunde über mein Verschwinden?«
»Sie sind in Sorge. Erschüttert. An dem Tag, an dem sie erfahren, dass du dich versteckt hast, werden sie ziemlich empört sein. Ich vermute, dass du einige verlieren wirst. Was mich zu der Frage bringt, warum du verschwunden bist.«
»Ich fühlte mich bedroht. Der Mann vor dem Zaun war nur eine Art Prolog. Auf einmal entdeckte ich überall Schatten, wohin ich auch ging. So war es vorher nicht gewesen. Ich erhielt eigentümliche Anrufe. Es war, als wüssten sie ständig, wo ich mich befand. Eines Tages, als ich im Seefahrtshistorischen Museum war, kam ein Aufseher zu mir und sagte, da wäre ein Anruf für mich. Ein Mann warnte mich in gebrochenem Schwedisch. Er sagte nicht, wovor, nur dass ich mich in Acht nehmen sollte. Es wurde ganz unerträglich. Ich hatte noch nie solche Angst gehabt. Es fehlte nicht viel, und ich wäre zur Polizei gegangen und hätte Louise angezeigt. Ich überlegte, ob ich einen anonymen Brief schreiben sollte. Schließlich hielt ich es nicht länger aus. Ich traf eine Abmachung über die Nutzung der Jagdhütte. Eskil kam nach Stockholm und holte mich ab, als ich auf meinem Morgenspaziergang zum Stadion kam. Seitdem habe ich meine Zeit hier
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