Wallander 09 - Der Feind im Schatten
verbracht, abgesehen von der Fahrt nach Kopenhagen.«
»Es ist mir noch immer unbegreiflich, warum du Louise nie mit deinem Verdacht konfrontiert hast, der wohl schon zu einer Überzeugung geworden war. Wie konntest du stillschweigend mit einer Spionin zusammenleben?«
»Es stimmt nicht, was du da sagst. Ich habe sie zur Redegestellt. Zweimal. Zum ersten Mal in dem Jahr, in dem Olof Palme starb. Das hatte natürlich nichts mit der Sache zu tun. Aber es war eine unruhige Zeit. Ich saß manchmal mit meinen Kollegen beim Kaffee zusammen, wir unterhielten uns über den Verdacht, dass ein Spion zwischen uns sein Unwesen trieb. Es war eine grässliche Situation, Kuchen zu essen und über einen Spion zu diskutieren, der meine eigene Frau sein konnte.«
Wallander hatte plötzlich einen Niesanfall.
Håkan von Enke wartete. »Im Sommer 1986 habe ich sie zur Rede gestellt«, fuhr er fort. »Wir waren zusammen mit einem befreundeten Paar, Korvettenkapitän Friis und seiner Frau, mit denen wir Bridge spielten, an die Riviera gefahren. Wir wohnten in einem Hotel in Menton. Eines Abends hatten wir allein gegessen, weil das Ehepaar Friis Besuch von einer seiner Töchter hatte. Nach dem Essen machten wir einen Spaziergang durch die Stadt. Plötzlich hielt ich mitten im Schritt inne und fragte sie unverblümt. Ich hatte es nicht vorbereitet, es brach einfach aus mir heraus. Ich stellte mich vor sie hin und fragte: Bist du eine Spionin oder nicht? Sie geriet außer sich, weigerte sich zu antworten und hob die Hand, als wollte sie mich schlagen. Dann nahm sie sich zusammen und antwortete vollkommen ruhig, dass sie selbstverständlich keine Spionin sei. Wie konnte ich auf eine so absurde Idee verfallen? Was sollte sie einer fremden Macht zu berichten haben? Ich weiß noch, dass sie lächelte, sie nahm mich nicht ernst, und da konnte ich es selbst auch nicht mehr tun. Ich konnte einfach nicht glauben, dass sie die Fähigkeit besaß, sich dermaßen zu verstellen. Ich bat sie um Verzeihung, gab meiner Erschöpfung die Schuld. Den Rest des Sommers war ich überzeugt, mich geirrt zu haben. Aber im Herbst kehrte mein Verdacht zurück.«
»Was war der Grund?«
»Wie gehabt. Dokumente im Waffenschrank, ein Gefühl, dass jemand an der Aktentasche gewesen war.«
»Hast du eine Veränderung bei ihr bemerkt, nachdem du ihr in Menton von deinem Verdacht erzählt hattest?«
Von Enke dachte nach, bevor er antwortete. »Die Frage habe ich mir natürlich auch gestellt. Manchmal glaubte ich zu merken, dass sie anders war, manchmal nicht. Ich bin immer noch unsicher.«
»Was geschah, als du sie das zweite Mal zur Rede stelltest?«
»Das war im Winter 1996, genau zehn Jahre später. Wir saßen zu Hause am Frühstückstisch, draußen schneite es. Plötzlich fragte sie mich nach etwas, was ich im Schlaf während der Nacht gerufen hatte. Sie behauptete, ich hätte geschrien, sie sei eine Spionin.«
»Hattest du das?«
»Ich weiß nicht. Manchmal soll ich im Schlaf geredet haben. Aber ich wusste nie etwas davon.«
»Was hast du ihr geantwortet?«
»Ich habe das Ganze umgedreht und sie gefragt, ob es wahr wäre, was ich geträumt hätte. Sie warf ihre Serviette nach mir und verließ die Küche. Es dauerte zehn Minuten, bis sie zurückkam. Ich weiß noch, dass ich auf die Uhr sah. Neun Minuten und fünfundvierzig Sekunden. Sie entschuldigte sich, war wieder wie immer und erklärte, ein für alle Mal, wie sie sagte, dass sie von solchen Verdächtigungen nichts mehr hören wolle. Sie seien absurd. Sollte ich meine Anschuldigungen wiederholen, müsste sie davon ausgehen, dass ich geistig verwirrt oder im Begriff sei, senil zu werden.«
»Und dann?«
»Nichts. Aber meine Befürchtungen ließen nicht nach. Und die Gerüchte über einen Spion in den schwedischen Streitkräften verdichteten sich. Zwei Jahre später spitzte es sich so zu, dass ich allen Ernstes glaubte, den Verstand zu verlieren.«
»Was war geschehen?«
»Eines Tages wurde ich zu einem Verhör beim militärischen Sicherheitsdienst bestellt. Man richtete keine direkten Anschuldigungen gegen mich, aber ich gehörte während einer gewissen Periode zu denen, die im Verdacht standen, Spionage zu treiben. Es war eine groteske Situation. Aber ich weiß noch, wie ich dachte, dass Louise, wenn es zutraf, dass sie militärische Geheimnisse an die Russen verkaufte, sich die perfekte Tarnung verschafft hatte.«
»Dich?«
»Genau. Mich.«
»Was geschah weiter?«
»Nichts. Die Gerüchte um einen
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