Wallander 10 - Wallanders erster Fall
Lehm herumstapfen müssen«, sagte er. »Und dieses verdammte Rheuma.«
Wallander warf einen schnellen Blick auf Rydberg. »Du hättest nicht rauszukommen brauchen«, sagte er. »Das hier schaffen wir auch so. Und dann muß die Havariekommission übernehmen.«
»Noch bin ich nicht tot«, antwortete Rydberg irritiert. »Obwohl, weiß der Teufel ...«
Er beendete den Satz nicht. Statt dessen stapfte er auf das Flugzeug zu, beugte sich hinunter und sah hinein. »Das wird wohl auf die Zähne hinauslaufen«, sagte er. »An etwas anderem kann man sie nicht mehr identifizieren.«
Wallander gab Rydberg einen Überblick. Sie arbeiteten gut zusammen und brauchten einander nie umständliche Erklärungen zu geben. Außerdem war es Rydberg, der Wallander vieles von dem beigebracht hatte, was er heute über die Arbeit als Kriminalbeamter wußte, nachdem er sich die Grundlagen in den Jahren in Malmö mit Hemberg erarbeitet hatte, der im Jahr zuvor bei einem Autounfall tragisch ums Leben gekommen war. Wallander war entgegen seiner Gewohnheit, niemals auf Beerdigungen zu gehen, zur Trauerfeier nach Malmö gefahren. Aber nach Hemberg war Rydberg sein Vorbild geworden. Sie arbeiteten jetzt seit vielen Jahren zusammen. Wallander hatte oft gedacht, daß Rydberg wohl einer der integersten Kriminalbeamten in Schweden war. Nichts entging ihm, keine Hypothese war zu merkwürdig, um von Rydberg nicht überprüft zu werden. Seine Fähigkeit, die Zeichen an einem Tatort zu deuten, erstaunte Wallander immer wieder, und er saugte die ganze Zeit alles Wissen gierig in sich auf.
Rydberg war alleinstehend. Er hatte nicht viele private Kontakte und schien auch keine zu wollen. Wallander war nach all den Jahren noch immer unsicher, ob Rydberg neben seiner Arbeit eigentlich noch andere Interessen hatte.
Es kam vor, daß sie an warmen Frühsommerabenden auf Rydbergs Balkon saßen und Whisky tranken. Meistens in angenehmem Schweigen, das hier und da von ein paar Kommentaren über die Arbeit im Polizeipräsidium unterbrochen wurde.
|279| »Martinsson versucht, die genaue Uhrzeit herauszufinden«, sagte Wallander. »Und dann, denke ich, müssen wir klarstellen, warum der Tower in Sturup nicht Alarm geschlagen hat.«
»Du meinst, warum der Pilot keinen Alarm geschlagen hat«, korrigierte Rydberg.
»Vielleicht hat er es nicht mehr geschafft.«
»Es dauert kaum zwei Sekunden, einen Notruf rauszuschicken«, sagte Rydberg. »Aber du hast natürlich recht. Das Flugzeug muß auf einer genehmigten Route geflogen sein. Wenn es nicht illegal unterwegs war, natürlich.«
»Illegal?«
Rydberg zuckte mit den Achseln. »Du kennst die Gerüchte«, sagte er. »Leute, die nachts Flugzeuglärm hören. Tieffliegende Flugzeuge mit abgeschalteten Scheinwerfern, die plötzlich hier im Grenzgebiet auftauchen. Jedenfalls war es zur Zeit des kalten Krieges so. Vielleicht ist er noch nicht ganz vorbei. Wir kriegen manchmal Berichte rein über Verdacht auf Spionagetätigkeit. Und dann kann man sich ja auch fragen, ob all das Rauschgift in Südschweden wirklich nur über den Sund kommt. Aber wir finden ja nie heraus, was für Flugzeuge das sind. Oder ob sie nur in der Einbildung der Leute existieren. Allerdings, wenn man nur tief genug fliegt, dann entgeht man den Radargeräten des Militärs. Und denen der Flugaufsicht.«
»Ich fahre los und rede mit Sturup«, sagte Wallander.
»Falsch«, sagte Rydberg. »Das mache ich. Mit dem Recht des Älteren überlasse ich diesen Lehm hier dir.«
Rydberg verschwand. Es wurde langsam hell. Einer der Techniker fotografierte das Flugzeugwrack von allen Seiten. Peter Edler hatte die Verantwortung für die Löscharbeiten abgegeben und war mit einem Löschzug zurück nach Ystad gefahren.
Wallander sah, daß Hansson unten am Feldweg mit ein paar Journalisten sprach. Er war froh, daß er das nicht tun mußte. Dann entdeckte er Martinsson, der durch den Lehm gestapft kam. Wallander ging ihm entgegen.
»Du hattest recht«, sagte Martinsson. »Es wohnt ein alter Mann auf dem Hof. Robert Haverberg. Mitte Siebzig, alleinstehend, mit neun Hunden. Es stank teuflisch da drinnen, gelinde ausgedrückt.«
|280| »Was hat er gesagt?«
»Er hat Flugzeugmotoren gehört. Und dann wurde es still. Und dann kam das Motorengeräusch zurück. Aber dann hörte es sich eher wie ein Pfeifen an. Und dann knallte es.«
Wallander dachte, daß sich Martinsson manchmal sehr schwer damit tat, klare und eindeutige Angaben zu machen. »Also noch einmal«, sagte
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