Wallander 10 - Wallanders erster Fall
antwortete Rydberg. »Aber bis wir wissen, wer sie waren, oder bis wir die Identität des Flugzeugs kennen, können wir nichts tun. Das hier muß an Interpol weitergegeben werden. Ich wette einen ordentlichen Batzen darauf, daß das Flugzeug aus dem Ausland kam.«
Rydberg verließ den Raum.
Wallander überdachte noch einmal, was er gesagt hatte.
Dann stand er auf, nahm seine Papiere und ging in das Zimmer, in dem Yngve Leonard Holm mit seinem Anwalt wartete.
Es war Viertel nach elf, als Wallander das Tonbandgerät einschaltete und sein Verhör begann.
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Nach einer Stunde und zehn Minuten schaltete Wallander das Tonbandgerät ab. Er hatte genug von Yngve Leonard Holm. Sowohl von seiner Art als auch von der Tatsache, daß Wallander gezwungen sein würde, ihn wieder laufenzulassen. Wallander war überzeugt, daß der Mann, der ihm gegenübersaß, sich wiederholter und schwerer Drogendelikte schuldig gemacht hatte. Aber es gab keinen Staatsanwalt auf der Welt, der ihre Voruntersuchung vor Gericht als stichhaltig genug einschätzen würde. Am wenigsten Per Åkeson, bei dem Wallander jetzt seine Zusammenfassung abgeben sollte.
Yngve Leonard Holm war siebenunddreißig Jahre alt. Er war in Ronneby geboren, aber seit Mitte der achtziger Jahre in Ystad gemeldet. Er gab an, Straßenverkäufer von Taschenbüchern zu sein, vorzugsweise für die »Manhattan«-Serie, auf verschiedenen Sommermärkten. In den letzten Jahren hatte er nur unbedeutende Einkünfte versteuert. Gleichzeitig hatte er eine große Villa in einem Wohngebiet gleich neben dem Polizeipräsidium bauen lassen. Die Villa war Millionen wert. Holm behauptete, den Bau mit größeren Glücksspielgewinnen aus Jägersro und Solvalla sowie von Trabrennen in Deutschland und Frankreich finanziert zu haben. Quittungen für die Gewinne hatte er natürlich nicht. Sie waren leider bei einem Brand verschwunden, der praktischerweise in dem Wohnwagen ausbrach, in dem er seine private Buchhaltung aufbewahrt hatte. Die einzige Quittung, die er hatte vorweisen können, war über einen kleineren Gewinn von 4993 Kronen, den er vor ein paar Wochen gemacht hatte. Möglicherweise, dachte Wallander, könnte man dem entnehmen, daß Holm einiges von Pferden verstand. Aber mehr auch nicht. Eigentlich hätte Hansson hier an meiner Stelle sitzen sollen. Er interessiert sich auch für Trabrennen. Sie hätten sich über Pferde unterhalten können.
Nichts davon änderte etwas an Wallanders Überzeugung, daß Holm das letzte Glied in einer Kette war, die bedeutende Mengen Rauschgift nach Schonen einführte und verkaufte. Die Indizien waren überwältigend. Aber die Verhaftung Holms war äußerst |284| schlecht organisiert gewesen. Man hätte an zwei Orten gleichzeitig zuschlagen sollen. Erstens in Holms Villa und zweitens in seinem Lagerraum in einem Industriegebiet in Malmö, wo er die Taschenbücher für die Sommermärkte aufbewahrte. Das wäre eine Gemeinschaftsaktion der Polizei in Ystad und der Kollegen in Malmö gewesen.
Aber etwas war von Anfang an schiefgelaufen. Das Lager war leer gewesen, bis auf eine einsame Kiste mit abgegriffenen »Manhattan«-Krimis. Holm hatte in seiner Villa gesessen und ferngesehen, als sie an der Tür klingelten. Eine junge Frau hatte zu seinen Füßen hingegossen dagelegen und ihm die Zehen massiert, während die Polizisten das Haus durchsuchten. Natürlich hatten sie nichts gefunden. Einer der Hunde von der Drogenfahndung hatte lange an einem Taschentuch geschnüffelt, das sie in einem Papierkorb fanden. Die chemische Analyse hatte nur erbracht, daß es möglicherweise mit einem Drogenpräparat in Kontakt gewesen war. Offensichtlich war Holm auf irgendeine Weise gewarnt worden.
Wallander zweifelte auch nicht daran, daß der Mann nicht nur intelligent war, sondern auch gewissenhaft im Vertuschen seiner Machenschaften. »Sie können wieder gehen«, sagte er. »Aber der Verdacht gegen Sie besteht weiter. Oder richtiger formuliert: Ich bin überzeugt, daß Sie in großem Umfang in Schonen Drogenhandel betreiben. Früher oder später kriegen wir Sie.«
Der Anwalt, der einem kleinen Wiesel ähnelte, streckte sich. »So etwas muß mein Klient sich nicht bieten lassen«, sagte er. »Das ist ein persönlicher Angriff ohne rechtliche Grundlage.«
»Sie haben vollkommen recht«, erwiderte Wallander. »Selbstverständlich können Sie Anzeige erstatten.«
Holm, unrasiert und der ganzen Situation offensichtlich überdrüssig, hinderte seinen Anwalt daran,
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