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Wallander 10 - Wallanders erster Fall

Wallander 10 - Wallanders erster Fall

Titel: Wallander 10 - Wallanders erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Stunde. Er stand auf und wollte zurück an die Rezeption gehen, aber sofort zeigte jemand wieder auf das Sofa. Er hatte großen Durst. Es war lange nach Mitternacht.
    Noch immer war das Foyer sehr belebt. Die Amerikanerinnen verschwanden mit einem Reiseleiter, der sie offensichtlich durch die ägyptische Nacht führen sollte. Wallander schloß die Augen. Er zuckte erst zusammen, als jemand seine Schulter berührte. Als er die Augen aufschlug, stand der Portier neben ihm, zusammen mit einer großen Gruppe von Polizisten in imponierenden Uniformen. Wallander stand auf. Eine Uhr an der Wand zeigte halb drei. Einer der Polizisten, der etwa in seinem Alter war und die meisten Tressen an seiner Uniformjacke hatte, salutierte.
    »Ich habe gehört, Sie sind von der schwedischen Polizei geschickt worden«, sagte er.
    »Nein«, antwortete Wallander. »Ich
bin
Polizist. Aber ich bin in erster Linie Herrn Wallanders Sohn.«
    Der Polizist, der salutiert hatte, explodierte augenblicklich und überschüttete die Portiers mit einem unbeschreiblichen Wortschwall. Wallander dachte, daß es am besten sei, sich wieder zu setzen.
    Nach ungefähr einer Viertelstunde leuchtete das Gesicht des Polizisten plötzlich auf. »Ich heiße Hassaneyh Radwan«, sagte er. »Jetzt sehe ich klar. Ich bin erfreut, einen schwedischen Kollegen zu treffen. Kommen Sie mit mir.«
    Sie verließen das Hotel. Umgeben von Polizisten, die alle eine Waffe trugen, fühlte sich Wallander wie ein Verbrecher. Die Nacht war sehr warm. Er setzte sich neben Radwan auf den Rücksitz eines Polizeiwagens, der sofort mit quietschenden Reifen losfuhr und die Sirenen anstellte. In dem Moment, als sie den Hotelvorplatz |352| verließen, entdeckte Wallander plötzlich die Pyramiden. Sie waren von Scheinwerfern angestrahlt. Es ging so schnell, daß er zuerst seinen Augen nicht traute. Aber es waren wirklich die Pyramiden, die er schon so oft auf Abbildungen gesehen hatte. Und dann dachte er mit Schrecken, daß sein Vater versucht hatte, an einer von ihnen hochzuklettern.
    Sie fuhren in Richtung Osten, den gleichen Weg, den er vom Flughafen aus gekommen war.
    »Wie geht es meinem Vater?« fragte Wallander.
    »Er ist ein sehr eigenwilliger Mensch«, antwortete Radwan. »Aber er spricht leider ein schwerverständliches Englisch.«
    Er spricht überhaupt kein Englisch, dachte Wallander resigniert. Sie fuhren mit ungeheurem Tempo durch die Stadt. Wallander sah flüchtig ein paar Kamele, die sich mit schweren Lasten langsam und würdevoll bewegten. Der Brustbeutel unter seinem Hemd scheuerte. Schweiß lief ihm über das Gesicht. Sie fuhren über den Fluß.
    »Der Nil?« fragte Wallander.
    Radwan nickte. Er zog eine Packung Zigaretten hervor, aber Wallander schüttelte den Kopf.
    »Ihr Vater raucht«, sagte Radwan.
    Mein Vater raucht ganz und gar nicht, dachte Wallander. Mit zunehmendem Schrecken begann er, sich zu fragen, ob er tatsächlich auf dem Weg zu seinem Vater war. Sein Vater hatte sein ganzes Leben lang nie geraucht. Gab es vielleicht mehrere alte Männer, die versucht hatten, auf die Pyramiden zu klettern?
    Der Polizeiwagen bremste. Wallander hatte mitbekommen, daß die Straße Sadei Barrani hieß. Sie befanden sich vor einer großen Polizeistation, vor deren hohen Toren bewaffnete Wachen in kleinen Schilderhäuschen standen. Wallander folgte Radwan. Sie kamen in einen großen Raum, an dessen Decke grelle Neonlampen leuchteten. Radwan zeigte auf einen Stuhl. Wallander setzte sich und fragte sich, wie lange er wohl warten müßte. Bevor Radwan ihn verließ, fragte Wallander, ob es möglich sei, kalte Getränke zu kaufen.
    Radwan rief einen jungen Polizisten. »Er wird Ihnen helfen«, sagte Radwan und verschwand.
    |353| Wallander war sich des Wertes der Scheine äußerst ungewiß und gab dem Polizisten ein kleineres Päckchen.
    »Coca-Cola«, sagte er.
    Der Polizist sah ihn fragend an. Aber er sagte nichts, nahm das Geld an sich und ging.
    Nach einer Weile kam er mit einem Karton voller Colaflaschen wieder zurück. Wallander zählte vierzehn Stück. Er öffnete zwei mit einem Taschenmesser und gab die anderen zwölf dem Polizisten, der sie mit seinen Kollegen teilte.
    Mittlerweile war es halb fünf. Wallander betrachtete eine Fliege, die unbeweglich auf einer der Flaschen saß. Irgendwoher war ein Radio zu hören. Dann fiel ihm auf, daß es tatsächlich eine Ähnlichkeit zwischen diesem Polizeigebäude und dem Polizeipräsidium in Ystad gab. Die gleiche nächtliche Stille. Das

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