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Wallander 10 - Wallanders erster Fall

Wallander 10 - Wallanders erster Fall

Titel: Wallander 10 - Wallanders erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Ich muß ihn rausholen, dachte er. Wenn er im Gefängnis landet, stirbt er.
    Wallander sank in einen unruhigen Halbschlaf und wachte davon auf, daß die Sonne über den Horizont gestiegen war. Er duschte und zog sich an. Und schon mußte er sein letztes sauberes Hemd nehmen.
    Er ging nach draußen. Jetzt am Morgen war es kühler. Plötzlich blieb er stehen. Er sah die Pyramiden. Er stand ganz still. Ihre Größe war überwältigend. Er ging den Weg hinauf, der zum Eingang des Gizehplateaus führte. Unterwegs wurden ihm Esel und Kamele zum Reiten angeboten. Aber er ging zu Fuß. Tief im Inneren verstand er seinen Vater.
Man soll seinen Träumen treu sein.
|356| Wie treu war er sich selbst eigentlich gewesen? Er blieb direkt vor dem Eingang stehen und betrachtete die Pyramiden. Stellte sich seinen Vater vor, wie er die steile Wand hinaufkletterte. Lange stand er so da, bevor er schließlich ins Hotel zurückkehrte, um zu frühstücken. Pünktlich um neun Uhr stand er vor dem Hoteleingang und wartete. Der Polizeiwagen kam nach wenigen Minuten. Es herrschte dichter Verkehr, und wie immer hatte der Fahrer die Sirenen eingeschaltet. Zum viertenmal überquerte Wallander den Nil. Er befand sich in einer riesigen, unübersichtlichen, lärmenden Stadt.
    Das Gerichtsgebäude lag in einer Straße namens Al Azhar. Radwan stand auf der Treppe und rauchte, als der Wagen vorfuhr. »Ich hoffe, Sie haben ein paar Stunden geschlafen«, sagte er. »Es ist nicht gut für einen Menschen, wenn er nicht schläft.«
    Sie betraten das Gebäude.
    »Ihr Vater ist schon da.«
    »Hat er einen Anwalt?« fragte Wallander.
    »Er hat einen juristischen Beistand. Das hier ist ein Gericht für leichtere Fälle.«
    »Trotzdem kann er zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt werden?«
    »Es ist ein großer Unterschied zwischen der Todesstrafe und zwei Jahren«, antwortete Radwan nachdenklich.
    Sie gingen in den Gerichtssaal. Ein paar Polizisten waren dabei, Staub zu wischen.
    »Ihr Vater ist heute der erste Fall«, sagte Radwan.
    Dann wurde der Vater hereingeführt. Wallander war entsetzt. Der Vater trug Handschellen. Er spürte, wie ihm die Tränen in die Augen traten. Radwan sah ihn kurz an und klopfte ihm auf die Schulter.
    Ein einzelner Richter kam herein und setzte sich. Der Staatsanwalt, der aus dem Nichts aufgetaucht war, ließ eine lange, ratternde Tirade vom Stapel, von der Wallander annahm, daß es sich um die Anklage handelte.
    Radwan beugte sich zu ihm herüber. »Es sieht gut aus«, flüsterte er. »Er behauptet, Ihr Vater sei alt und geistig verwirrt.«
    Wenn das nur niemand übersetzt, dachte Wallander. Sonst wird er wirklich wahnsinnig.
    |357| Der Staatsanwalt setzte sich. Der Rechtsbeistand faßte sich sehr kurz.
    »Er plädiert für ein Bußgeld«, flüsterte Radwan. »Ich habe das Gericht darüber informiert, daß Sie hier sind, daß Sie sein Sohn sind und Polizist.«
    Der Rechtsbeistand nahm wieder Platz. Wallander konnte seinem Vater ansehen, daß er etwas sagen wollte. Aber sein Rechtsbeistand schüttelte den Kopf.
    Der Richter schlug mit dem Hammer auf den Tisch und gab einige wenige Worte von sich. Dann schlug er erneut auf den Tisch, erhob sich und ging.
    »Bußgeld«, sagte Radwan und klopfte Wallander auf die Schulter. »Es soll hier im Gerichtssaal bezahlt werden. Danach ist Ihr Vater wieder frei.«
    Wallander angelte die Stofftasche unter seinem Hemd hervor. Radwan führte ihn zu einem Tisch, wo ein Mann die Summe von amerikanischen Dollar in ägyptische Pfund umrechnete. Fast Wallanders gesamtes Geld verschwand. Er bekam eine unlesbare Quittung über den Betrag.
    Radwan veranlaßte, daß die Handschellen abgenommen wurden. »Ich hoffe, daß der Rest der Reise angenehm wird«, sagte er und gab ihnen beiden die Hand. »Aber es wäre wohl nicht angebracht, daß Ihr Vater noch einmal versucht, auf eine Pyramide zu klettern.«
    Radwan ließ sie von einem Polizeiwagen zum Hotel zurückbringen. Wallander hatte seine Adresse bekommen. Ihm war klar, daß die Sache ohne Radwan nicht so einfach verlaufen wäre. Er sollte ihm irgendwie danken. Vielleicht wäre es am passendsten, ihm ein Bild mit einem Auerhahn zu schicken.
    Sein Vater war in strahlender Laune und kommentierte alles, was sie im Vorbeifahren sahen. Wallander war nur müde.
    »Jetzt zeige ich dir die Pyramiden«, sagte sein Vater fröhlich, als sie im Hotel angekommen waren.
    »Jetzt nicht«, sagte Wallander. »Ich muß zuerst ein paar Stunden schlafen. Du auch. Danach können

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