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Wallander 10 - Wallanders erster Fall

Wallander 10 - Wallanders erster Fall

Titel: Wallander 10 - Wallanders erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Warten darauf, daß etwas geschah. Oder nicht. Der Polizist, der in eine Zeitung vertieft war, hätte Hansson sein können, der über seine Trabrennprogramme gebeugt saß.
    Radwan kam zurück. Er gab Wallander ein Zeichen, ihm zu folgen. Sie gingen durch unzählige verwinkelte Korridore, treppauf und treppab, und blieben schließlich vor einer Tür stehen, vor der ein Polizist Wache stand. Radwan nickte, und die Tür wurde geöffnet.
    Dann gab er Wallander ein Zeichen hineinzugehen. »Ich komme in einer halben Stunde zurück«, sagte er und verschwand.
    Wallander ging hinein. In dem Raum, der von den ewiggleichen Neonröhren erleuchtet war, standen ein Tisch und zwei Stühle. Auf einem Stuhl saß sein Vater, in Hemd und Hose, aber barfuß. Das Haar stand ihm zu Berge. Plötzlich tat er Wallander leid.
    »Hallo, Papa«, sagte er. »Wie geht es dir?«
    Der Vater sah ihn ohne die geringste Spur von Verwunderung an.
    »Ich werde Beschwerde einlegen«, sagte er.
    »Wogegen?«
    »Daß man Menschen daran hindert, auf die Pyramiden zu klettern.«
    »Ich glaube, wir sollten mit der Beschwerde warten«, sagte Wallander. »Das wichtigste ist im Moment, dich hier rauszubekommen.«
    |354| »Ich bezahle kein Bußgeld«, antwortete sein Vater hitzig. »Ich will meine Strafe hier absitzen. Zwei Jahre, haben sie gesagt. Die vergehen schnell.«
    Wallander überlegte, ob er wütend werden sollte. Aber das würde den Vater vielleicht noch mehr aufregen. »Ägyptische Gefängnisse sind sicher nicht besonders gemütlich«, sagte er vorsichtig. »Gefängnisse sind nie gemütlich. Außerdem glaube ich nicht, daß sie dir erlauben werden, in der Zelle zu malen.«
    Der Vater betrachtete ihn schweigend. An das Problem hatte er offensichtlich nicht gedacht.
    Er nickte und stand auf. »Dann gehen wir«, sagte er. »Hast du Geld, um das Bußgeld zu bezahlen?«
    »Setz dich«, sagte Wallander. »Ganz so einfach ist das, glaube ich, nicht. Du kannst nicht einfach aufstehen und gehen.«
    »Warum denn nicht? Ich habe nichts Schlimmes getan.«
    »Soweit ich es verstanden habe, hast du versucht, auf die Cheopspyramide zu klettern, oder?«
    »Deshalb bin ich doch nach Kairo gekommen. Gewöhnliche Touristen können unten zwischen den Kamelen stehen und glotzen. Ich wollte die Spitze besteigen.«
    »Das ist nicht erlaubt. Außerdem ist es lebensgefährlich. Wie würde das aussehen, wenn die Leute überall an den Pyramiden hängen und klettern würden?«
    »Ich rede nicht von den Leuten. Ich rede von mir selbst.«
    Wallander wußte, daß es sinnlos war, seinen Vater zur Einsicht bringen zu wollen. Gleichzeitig konnte er nicht umhin, seine Sturheit zu bewundern.
    »Jetzt bin ich hier«, sagte Wallander. »Ich werde versuchen, dich morgen rauszubekommen. Oder heute noch. Ich bezahle das Bußgeld, und dann ist es vorbei. Wir gehen hier raus, fahren zum Hotel und holen deine Tasche. Dann fliegen wir nach Hause.«
    »Ich habe mein Zimmer bis zum 21. bezahlt.«
    Wallander nickte geduldig.
    »Ich fliege nach Hause. Du bleibst. Aber wenn du noch einmal auf die Pyramiden kletterst, mußt du es selbst ausbaden.«
    »Ich bin nicht sehr weit gekommen«, sagte der Vater. »Es war schwierig. Und steil.«
    |355| »Warum wolltest du eigentlich auf die Spitze klettern?«
    Der Vater zögerte, bevor er antwortete. »Ein Traum, den ich immer hatte. Nichts weiter. Ich finde, man soll seinen Träumen treu sein.«
    Das Gespräch verebbte. Wenige Minuten später kam Radwan zurück. Er bot Wallanders Vater eine Zigarette an und gab ihm Feuer.
    »Rauchst du neuerdings?«
    »Nur wenn ich im Gefängnis bin. Sonst nicht.«
    Wallander wandte sich an Radwan. »Ich nehme an, daß es keine Möglichkeit gibt, meinen Vater jetzt mitzunehmen?«
    »Er wird heute um zehn Uhr einem Richter vorgeführt. Der Richter wird das Bußgeld vermutlich akzeptieren.«
    »Vermutlich?«
    »Nichts ist sicher«, antwortete Radwan. »Aber wir wollen das Beste hoffen.«
    Wallander verabschiedete sich von seinem Vater. Radwan begleitete ihn zu einem Polizeiwagen, der ihn zum Hotel zurückbringen sollte. Mittlerweile war es sechs Uhr.
    »Ich schicke um neun Uhr einen Wagen, der Sie abholt«, sagte Radwan zum Abschied. »Einem ausländischen Kollegen sollte man immer helfen.«
    Wallander bedankte sich und stieg ein. Wieder wurde er durch einen Kavaliersstart in den Sitz zurückgeworfen. Die Sirenen wurden eingeschaltet.
    Wallander bestellte den Weckdienst für halb acht und streckte sich nackt auf dem Bett aus.

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