Wallander 10 - Wallanders erster Fall
Haus schon gekauft und bezahlt habe. Die Bezeichnung ist Svindala 12:24.«
»Aber ich habe es ja noch nicht einmal gesehen!«
»Du sollst ja auch nicht da wohnen. Ich will da wohnen.«
»Und bist du denn schon da gewesen?«
»Ich habe es auf einem Bild gesehen. Das reicht mir. Ich mache keine unnötigen Reisen. Das beeinträchtigt nur meine Arbeit.«
Wallander stöhnte innerlich. Er war überzeugt davon, daß der Vater bei dem Hauskauf über den Tisch gezogen worden war. Genauso, wie er über den Tisch gezogen worden war, wenn er seine Bilder an die zweifelhaften Gestalten in großen amerikanischen Autos verkauft hatte, die in all den Jahren seine Käufer gewesen waren.
»Das sind ja Neuigkeiten«, sagte Wallander. »Darf man fragen, wann du umziehen willst?«
»Am Freitag kommt der Lastwagen.«
»Schon diese Woche?«
»Du hörst doch, was ich sage. Das nächste Mal spielen wir draußen im schonischen Lehm Karten.«
Wallander hob ergeben die Arme. »Und wann willst du packen? Hier herrscht doch ein heilloses Durcheinander.«
»Ich bin davon ausgegangen, daß du keine Zeit hast. Deshalb habe ich deine Schwester gebeten, mir zu helfen.«
»Wenn ich heute abend nicht zu Besuch gekommen wäre, hätte ich also nächstes Mal ein leeres Haus hier vorgefunden?«
»Ja, das hättest du.«
Wallander reichte ihm sein Glas. Er brauchte noch einen Cognac. Der Vater füllte es knickerig nur bis zur Hälfte.
»Ich weiß ja nicht einmal, wo das liegt. Löderup. Liegt es von hier aus vor oder hinter Ystad?«
|43| »Es liegt vor Simrishamn.«
»Kannst du nicht auf meine Frage antworten?«
»Das habe ich doch getan.« Der Vater stand auf und stellte die Cognacflasche weg. Dann zeigte er auf das Kartenspiel. »Spielen wir noch eine Runde?«
»Ich habe kein Geld mehr. Aber ich werde versuchen, abends herzukommen und dir beim Packen zu helfen. Was hast du denn für das Haus bezahlt?«
»Das habe ich schon wieder vergessen.«
»Das kannst du doch nicht vergessen haben! Hast du so viel Geld?«
»Nein, aber Geld interessiert mich nicht.«
Wallander sah ein, daß er keine genaueren Antworten bekommen würde. Es war halb elf geworden. Er mußte nach Hause und schlafen. Doch anderseits fiel es ihm nicht leicht, sich loszureißen. Hier war er aufgewachsen. Als er geboren wurde, hatten sie in Klagshamn gewohnt. Aber an Klagshamn hatte er kaum noch Erinnerungen.
»Und wer wird jetzt hier wohnen?« fragte er.
»Ich habe gehört, daß es abgerissen werden soll.«
»Das scheint dir nicht besonders viel auszumachen. Wie lange hast du eigentlich hier gewohnt?«
»Neunzehn Jahre. Das reicht.«
»Übertriebene Sentimentalität kann man dir auf jeden Fall nicht vorwerfen. Bist du dir darüber im klaren, daß ich hier praktisch meine Kindheit verbracht habe?«
»Ein Haus ist ein Haus«, erwiderte der Vater. »Ich habe genug von der Stadt. Ich will hinaus aufs Land. Dort werde ich meine Ruhe haben und malen und meine Reisen nach Italien und Ägypten planen.«
Wallander ging den ganzen Weg zurück nach Rosengård zu Fuß. Es war bewölkt. Er merkte, wie der Gedanke ihn beunruhigte, daß der Vater umziehen würde und daß man das Haus, in dem er seine Kindheit verbracht hatte, vielleicht abreißen würde. Ich bin sentimental, dachte er. Die Frage ist nur, ob man ein guter Polizist werden kann, wenn man zur Sentimentalität neigt.
|44| Am nächsten Tag rief Wallander im Reisebüro an und ließ sich die Zugzeiten für ihre Urlaubsreise geben. Mona hatte in einer Pension, die einen netten Eindruck machte, ein Zimmer reserviert. Den Rest des Tages war Wallander im Stadtzentrum von Malmö auf Streife unterwegs. Ständig meinte er, das Mädchen zu sehen, das ihn vor ein paar Tagen im Café beschimpft hatte. Er sehnte den Tag herbei, an dem er die Uniform ablegen konnte. Überall richteten sich Blicke auf ihn, die Widerwillen oder Verachtung zum Ausdruck brachten. Vor allem von Personen in seinem eigenen Alter. Er war zusammen mit einem übergewichtigen und langsamen Polizisten namens Svanlund auf Streife, der die ganze Zeit davon redete, daß er in einem Jahr in Pension gehen und auf den väterlichen Hof in der Nähe von Hudiksvall ziehen würde. Wallander hörte zerstreut zu und murmelte nur dann und wann einen nichtssagenden Kommentar. Abgesehen davon, daß sie ein paar Betrunkene von einem Spielplatz vertrieben, passierte nichts, außer, daß Wallander die Füße weh taten. Es war das erste Mal, obwohl er schon so viele Tage
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