Wallander 10 - Wallanders erster Fall
gesucht hat.«
»Vielleicht«, sagte Hemberg. »Warum vielleicht?«
»Es kann auch eine andere Erklärung geben.«
»Zum Beispiel?«
Wallander suchte fieberhaft nach einer Alternative, ohne eine zu finden. »Ich weiß es nicht«, erwiderte er. »Ich finde keine andere Erklärung. Jedenfalls nicht im Moment.«
Hemberg nahm sich einen Keks. »Ich auch nicht«, sagte er. »Was bedeutet, daß sich die Erklärung vielleicht immer noch dort in der Wohnung befindet, ohne daß es uns gelungen ist, sie zu finden. Wäre es bei dem nächtlichen Besuch geblieben, so wäre dieser Fall ad acta gelegt worden, sobald die Untersuchung der Waffe abgeschlossen wäre und der Gerichtsmediziner sich geäußert hätte. Aber dieser Brand jetzt bedeutet, daß wir noch einmal eine Runde da drinnen machen müssen.«
»Hatte Hålén wirklich keine Verwandten?« fragte Wallander.
Hemberg schob die Tasse von sich und stand auf.
»Komm morgen zu mir hoch, dann zeige ich dir den Bericht.«
Wallander zögerte.
»Ich weiß nicht, ob ich dazu Zeit habe. Wir schlagen morgen in den Parks zu. Drogenrazzia.«
»Ich rede mit deinem Chef«, sagte Hemberg. »Das geht schon klar.«
Kurz nach acht Uhr am folgenden Tag, dem 7. Juni, las Wallander das gesamte Material durch, das Hemberg über Hålén gesammelt hatte. Es war äußerst dürftig. Hålén hatte kein Vermögen, aber auch keine Schulden gehabt. Er schien ausschließlich von seiner Rente gelebt zu haben. Außer einer 1967 in Katrineholm verstorbenen Schwester wurde kein Verwandter erwähnt. Die Eltern waren früh gestorben. Wallander las den Bericht in Hembergs Zimmer, während dieser in einer Sitzung war.
|50| Kurz nach halb neun kam er zurück. »Hast du etwas gefunden?«
»Wie kann ein Mensch so einsam sein?«
»Das kann man sich fragen«, erwiderte Hemberg. »Aber das gibt uns keine Antwort. Jetzt fahren wir hinüber in die Wohnung.«
Während des Vormittags führten die Kriminaltechniker eine sorgfältige Untersuchung von Håléns Wohnung durch. Der Mann, der die Untersuchung leitete, war klein und mager und sagte so gut wie nichts. Er hieß Sjunnesson und war unter schwedischen Kriminaltechnikern eine Legende.
»Wenn es hier etwas zu finden gibt, dann findet er es«, sagte Hemberg. »Bleib hier und lern was.«
Hemberg erhielt plötzlich eine Mitteilung und verschwand.
»Da hat sich einer in einer Garage oben in Jägersro aufgehängt«, sagte er, als er zurückkam.
Dann verschwand er von neuem. Als er zurückkam, hatte er die Haare geschnitten.
Um drei Uhr war Sjunnesson fertig. »Hier ist nichts«, sagte er. »Kein verstecktes Geld. Keine Drogen. Hier ist alles sauber.«
»Dann war da wohl nur einer, der geglaubt hat, hier gäbe es etwas«, sagte Hemberg. »Er hat sich geirrt. Und jetzt schließen wir diese ganze Geschichte ab.«
Wallander begleitete Hemberg auf die Straße hinunter.
»Man muß wissen, wann es Zeit ist aufzuhören«, sagte Hemberg. »Das ist vielleicht das Allerwichtigste.«
Wallander ging in seine Wohnung und rief Mona an. Sie verabredeten, sich am Abend zu treffen und eine Spritztour mit dem Auto zu machen. Sie konnte sich von einer Freundin ein Auto leihen. Um sieben Uhr wollte sie Wallander in Rosengård abholen.
»Wir fahren nach Helsingborg«, schlug sie vor.
»Warum?«
»Weil ich noch nie da gewesen bin.«
»Ich auch nicht«, sagte Wallander. »Um sieben bin ich fertig, und dann fahren wir nach Helsingborg.«
Aber Wallander kam an jenem Abend nicht nach Helsingborg. Kurz vor sechs klingelte sein Telefon. Es war Hemberg.
»Komm mal rüber«, sagte er. »Ich sitze in meinem Zimmer.«
|51| »Eigentlich habe ich schon was anderes vor«, sagte Wallander. Hemberg unterbrach ihn. »Ich dachte, du interessiertest dich dafür, was mit deinem Nachbarn passiert ist. Komm her, ich zeige dir etwas. Es dauert nicht lange.«
Wallanders Neugier war geweckt. Er rief bei Mona an, aber sie nahm nicht ab.
Ich bin rechtzeitig zurück, dachte er. Eigentlich kann ich mir kein Taxi leisten, aber es ist nicht zu ändern. Er riß ein Stück Papier von einer Tüte ab und schrieb darauf, daß er um sieben Uhr zurück sein würde. Danach bestellte er ein Taxi. Diesmal kam er sofort durch. Er befestigte den Zettel mit einer Heftzwecke an seiner Wohnungstür und fuhr ins Polizeipräsidium.
Hemberg saß in seinem Zimmer und hatte die Füße auf den Tisch gelegt. Er nickte Wallander zu, sich zu setzen.
»Wir haben uns geirrt«, sagte er. »Es gab eine
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