Wallander 10 - Wallanders erster Fall
Unschuld.«
Rydberg nickte. »Wer hat die Sendung entgegengenommen?« wiederholte er. »Und noch eine Frage: Wer stand hinter dem Ganzen? Oder richtiger: wer steht dahinter?«
»Wir suchen noch immer nach dem Zentrum«, sagte Wallander. »Nach der Spitze der Pyramide.«
Rydberg gähnte und stand mühsam auf. »Früher oder später finden wir es heraus«, sagte er.
»Ist Nyberg schon zurück?« fragte Wallander.
»Martinsson zufolge sitzt er noch immer in Tingsryd fest.«
Wallander kehrte in sein Zimmer zurück. Alle schienen darauf zu warten, daß etwas passierte. Um vier Uhr rief Nyberg an und berichtete, daß sein Auto nun endlich repariert sei. Um fünf |384| hatten sie ein Treffen. Eigentlich hatte niemand etwas Neues zu sagen.
In der Nacht schlief Wallander lange und traumlos. Am Morgen schien die Sonne, und es waren fünf Grad über Null. Er ließ den Wagen stehen und ging zu Fuß zum Polizeipräsidium hinauf. Aber auf halber Strecke bereute er es. Ihm fiel ein, was Martinsson erzählt hatte. Von den zwei Bewohnern des Hauses, in dem Holm sein Zimmer hatte. Es war erst Viertel nach sieben. Er würde es noch vor der Sitzung im Polizeipräsidium schaffen, hinzufahren und nachzusehen, ob sie zu Hause waren.
Um Viertel vor acht bog er auf den Hof ein. Der Hund stand in seinem Zwinger und bellte. Wallander sah sich um. Das Haus wirkte genauso verlassen wie am Tag zuvor. Er ging zur Tür und klopfte. Keine Reaktion. Er drückte den Türgriff herunter. Die Tür war verschlossen. Es war also jemand dagewesen. Er wandte sich ab, um zur Rückseite des Hauses zu gehen. In dem Moment hörte er, wie die Tür hinter ihm geöffnet wurde. Unwillkürlich zuckte er zusammen. Ein Mann in Unterhemd und tief hängenden Jeans stand da und sah ihn an.
Wallander ging zurück und stellte sich vor. »Sind Sie Rolf Nyman?« fragte er.
»Ja, das bin ich.«
»Ich würde gerne mit Ihnen reden.«
Der Mann zögerte. »Hier ist nicht aufgeräumt«, antwortete er. »Und das Mädchen, das hier wohnt, schläft gerade.«
»Bei mir zu Hause ist auch nicht aufgeräumt«, sagte Wallander. »Und wir brauchen uns ja nicht auf ihre Bettkante zu setzen.«
Nyman trat zur Seite und nahm Wallander mit in die vollgestopfte Küche. Sie setzten sich. Der Mann machte keine Anstalten, Wallander irgend etwas anzubieten. Aber er wirkte freundlich. Wallander nahm an, daß er sich wegen des Durcheinanders schämte.
»Das Mädchen hat große Probleme mit Drogen«, sagte er. »Sie versucht gerade, davon wegzukommen. Ich helfe ihr, so gut ich kann. Aber es ist schwer.«
»Und Sie selbst?«
»Ich rühre nie etwas an.«
|385| »Aber ist es nicht merkwürdig, daß Sie sich entschlossen haben, mit Holm zusammenzuwohnen. Wenn Sie tatsächlich wollen, daß sie von den Drogen loskommt.«
Nymans Antwort kam schnell und wirkte überzeugend. »Ich habe nicht geahnt, daß er mit Drogen zu tun hatte. Wir haben hier billig gewohnt. Er war nett. Ich hatte keinen blassen Schimmer, was er machte. Zu mir hat er gesagt, er studiert Astronomie. Wir haben immer abends hier draußen auf dem Hof gestanden. Er kannte jeden einzelnen Stern mit Namen.«
»Was machen Sie selbst?«
»Ich kann keine feste Stelle annehmen, solange es ihr schlechtgeht. Ich arbeite ab und zu in einer Diskothek.«
»Diskothek?«
»Ich lege Platten auf.«
»Sie sind also Diskjockey?«
»Ja.«
Wallander fand, daß der Mann einen sympathischen Eindruck machte. Das einzige, was ihn zu beunruhigen schien, war, daß das Mädchen, das irgendwo schlief, aufwachen könnte.
»Holm«, sagte Wallander. »Wie haben Sie ihn kennengelernt? Und wann war das?«
»In einer Diskothek in Landskrona. Wir kamen ins Gespräch. Er hat von diesem Haus erzählt. Ein paar Wochen später sind wir eingezogen. Das schlimmste ist, daß ich keine Lust habe, sauberzumachen. Früher habe ich das getan. Holm auch. Aber jetzt habe ich alle Hände voll damit zu tun, mich um meine Freundin zu kümmern.«
»Sie hatten nie einen Verdacht, was Holms Geschäfte anging?« »Nein.«
»Hat er hier nie Besuch gehabt?«
»Nie. Er war tagsüber meistens weg. Aber er sagte immer, wann er wiederkäme. Nur beim letztenmal ist er nicht pünktlich zurückgekommen.«
»Wirkte er an dem Tag beunruhigt? Hatte sich etwas verändert?«
Rolf Nyman dachte nach. »Nein, er war wie immer.«
»Wie war er denn?«
|386| »Fröhlich. Obwohl manchmal ein bißchen still.«
Wallander überlegte, wie er weiter vorgehen sollte.
»Hatte er viel
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