Wallander 10 - Wallanders erster Fall
beschäftigt zu sein, statt den ganzen Abend an Mona zu denken, aber er hatte seinem Vater versprochen, nach Löderup zu kommen. Das gab den Ausschlag.
»Ich bin schon mit meinem Vater verabredet«, antwortete er. »Frag doch jemand anders.«
Wallander blieb noch im Sitzungszimmer, nachdem Martinsson gegangen war. Er suchte nach dem Gedanken, der auf dem Weg von Malmö angefangen hatte, an ihm zu nagen. Er stellte sich ans Fenster und blickte eine Weile geistesabwesend über den Parkplatz zum Wasserturm. Langsam ging er alle Geschehnisse im Kopf noch einmal durch. Versuchte, etwas einzufangen, was er übersehen haben könnte. Aber vergeblich.
|391| Den Rest des Tages geschah eigentlich gar nichts. Alle warteten. Nyberg kam aus Malmö zurück. Die Ballistiker arbeiteten auf Hochtouren an der Waffe. Martinsson gelang es, seinen Silvesterabend mit Näslund zu tauschen, der sich mit seiner Frau gestritten hatte und am liebsten nicht zu Hause sein wollte. Wallander wanderte im Korridor auf und ab. Er suchte weiter nach dem verschwundenen Gedanken, der ihm keine Ruhe ließ. Immerhin war ihm klar, daß es sich nur um ein Detail handelte, das vorbeigehuscht war. Vielleicht ein einziges Wort, das er hätte auffangen und genauer analysieren sollen.
Es wurde sechs Uhr. Rydberg verschwand ohne ein Wort. Wallander und Martinsson gingen noch einmal alles durch, was sie über Yngve Leonard Holm wußten. Er war in Brösarp geboren und, soweit sie es beurteilen konnten, in seinem ganzen Leben keiner ordentlichen Arbeit nachgegangen. Kleine Diebstähle in der Jugend hatten nach und nach zu gröberen Vergehen geführt. Aber keine Gewalt. In dieser Hinsicht erinnerte er an Nilsmark. Martinsson verabschiedete sich und ging nach Hause. Hansson saß über seine Wettscheine gebeugt, die er hastig in einer Schublade verschwinden ließ, wenn jemand eintrat. Im Eßraum wechselte Wallander ein paar Worte mit einigen Polizisten, die in der Silvesternacht Verkehrskontrollen durchführen sollten. Sie wollten sich auf »Promillestraßen« konzentrieren, Schleichwege, die Autofahrer mit guter Ortskenntnis benutzten, wenn sie nicht nüchtern waren und trotzdem mit dem eigenen Wagen nach Hause fahren wollten. Um sieben Uhr rief Wallander in Malmö an und sprach mit Hyttner. Auch dort gab es nichts Neues. Aber das Heroin schwappte jetzt sogar bis nach Varberg. Von dort an wurde der Drogenhandel von Göteborg aus kontrolliert.
Wallander fuhr nach Hause. Die Waschmaschine war immer noch nicht repariert. Seine Schmutzwäsche lag noch im Auto. Wütend fuhr er ins Präsidium zurück und stopfte die Waschmaschine bis zum Rand voll. Dann setzte er sich und zeichnete Männchen auf seinen Kollegblock. Dachte an Radwan und die gewaltigen Pyramiden. Als er die Wäsche aus dem Trockner nahm, war es schon nach neun. Er fuhr nach Hause, öffnete eine Dose Pyttipanna und aß vor dem Fernseher, während er sich einen alten |392| schwedischen Film ansah. Vage erinnerte er sich, ihn in seiner Jugend schon einmal gesehen zu haben. Zusammen mit einem Mädchen, das ihm nicht erlaubt hatte, seine Hand auf ihren Schenkel zu legen.
Bevor er ins Bett ging, rief er Linda an. Diesmal war Mona am Apparat. An ihrer Stimme konnte er erkennen, daß sein Anruf ungelegen kam. Linda war nicht da. Wallander bat Mona nur, sie zu grüßen. Das Gespräch war schon vorbei, bevor es überhaupt begonnen hatte.
Er war gerade ins Bett gekrochen, als Emma Lundin anrief. Wallander tat, als habe sie ihn geweckt. Sie entschuldigte sich für die Störung. Dann fragte sie nach dem Silvesterabend. Wallander sagte, er würde mit seinem Vater feiern. Sie beschlossen, sich am Neujahrstag zu treffen. Wallander bereute es schon, bevor er den Hörer aufgelegt hatte.
Am folgenden Tag, dem 29. Dezember, geschah eigentlich nur eins: Björk hatte einen kleinen Verkehrsunfall. Ein schadenfroher Martinsson überbrachte die Neuigkeit. Björk hatte ein Auto zu spät bemerkt, als er in die linke Spur wechseln wollte. Es war glatt gewesen, und die Autos waren aneinandergeprallt, hatten jedoch nur leichte Blechschäden abbekommen.
Nyberg wartete immer noch auf den ballistischen Bericht. Wallander nutzte den Tag, um seine Papierberge abzuarbeiten. Am Nachmittag kam Per Åkeson in sein Zimmer und bat um einen Bericht über den bisherigen Verlauf des Geschehens. Wallander sagte wahrheitsgemäß, daß sie hofften, zur Zeit auf der richtigen Spur zu sein. Aber noch immer sei viel Routinearbeit zu
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