Wallander 10 - Wallanders erster Fall
anderem danach, was Hilton an den jeweils aktuellen Tagen gemacht habe. Im Fall der Schwestern Eberhardsson gab es sehr exakte Zeitangaben; was Holm betraf, waren sie eher unklar. Als die Schwestern Eberhardsson starben, war Hilton in Kopenhagen, behauptete er. Da er allein gereist war, würde es Zeit brauchen, seine Behauptung zu überprüfen. Im Zeitraum zwischen Holms Verschwinden und dem Auffinden seiner Leiche hatte Hilton viele verschiedene Dinge getan.
Wallander wünschte, Rydberg wäre bei ihm. Normalerweise merkte er ziemlich schnell, ob die Person, die vor ihm saß, die Wahrheit sagte oder nicht. Aber bei Hilton war das schwieriger. Wenn Rydberg dabeigewesen wäre, hätten sie ihre Eindrücke vergleichen können.
Nach dem Verhör trank Wallander mit Hyttner Kaffee. »Wir haben ihm noch nie Gewalttätigkeiten nachweisen können«, sagte Hyttner. »Das hat er, wenn nötig, immer andere machen lassen. |389| Außerdem waren es nicht jedesmal dieselben Typen. Soweit wir wissen, hat er Leute vom Kontinent geholt, wenn er jemandem, der seine Rechnung nicht bezahlt hatte, die Knochen brechen ließ.«
»Die müssen alle ausfindig gemacht werden«, sagte Wallander. »Wenn sich herausstellen sollte, daß es die richtige Waffe ist.«
»Es fällt mir schwer zu glauben, daß er es war«, meinte Hyttner. »Dazu ist er nicht der Typ. Er hat keine Skrupel, Schulkindern Heroin zu verkaufen. Aber er fällt in Ohnmacht, wenn ihm Blut abgezapft wird.«
Wallander kehrte am frühen Nachmittag nach Ystad zurück. Nyberg war immer noch in Malmö. Wallander war sich bewußt, daß er eher hoffte als glaubte, daß sie sich einer Aufklärung der Morde näherten.
Gleichzeitig begann ein anderer Gedanke in ihm zu bohren. Etwas, was er übersehen haben konnte. Eine Schlußfolgerung, die er hätte ziehen müssen, eine Vermutung, zu der er hätte kommen müssen. Er suchte in seinem Kopf, fand aber keine Antwort.
Auf dem Weg zurück nach Ystad bog er bei Stjärnsund ab und blieb eine Weile auf Sten Widéns Pferdehof. Er fand Widén im Stall zusammen mit einer älteren Frau, der offensichtlich eines der Pferde gehörte. Sie war gerade im Begriff zu gehen, als Wallander kam. Gemeinsam sahen sie ihren BMW verschwinden.
»Sie ist nett«, sagte Sten Widén. »Aber die Pferde, die sie sich aufschwatzen läßt, machen niemanden glücklich. Ich sage ihr immer, daß sie mich um Rat fragen soll, bevor sie eins kauft. Jetzt hat sie eins, das ›Jupiter‹ heißt und garantiert nie ein Rennen gewinnt.«
Widén hob resigniert die Arme. »Aber sie hält mich am Leben.«
»Ich möchte ›Traviata‹ sehen«, sagte Wallander.
Sie gingen in den Stall zurück, wo die Pferde in den Boxen mit den Hufen stampften. Sten Widén blieb bei einer Stute stehen und strich ihr über das Maul. »Traviata«, sagte er. »Nicht besonders leichtfertig, würde ich sagen. Sie hat eher Angst vor den Hengsten.«
»Ist sie gut?«
»Sie kann es werden. Aber sie hat schwache Hinterbeine. Wir werden sehen.«
Sie gingen wieder auf den Hof. Wallander hatte im Stall bemerkt, |390| daß Widéns Atem leicht nach Alkohol roch. Widén bot ihm Kaffee an, aber Wallander lehnte dankend ab.
»Ich habe einen Dreifachmord aufzuklären«, sagte er. »Ich nehme an, du hast in den Zeitungen davon gelesen?«
»Ich lese nur den Sportteil«, antwortete Sten Widén.
Wallander verließ Stjärnsund. Und fragte sich, ob Widén und er jemals zu der Vertrautheit zurückfinden würden, die es einmal zwischen ihnen gegeben hatte.
Als er im Präsidium ankam, traf er Björk an der Anmeldung. »Ich habe gehört, ihr habt diese Morde aufgeklärt«, sagte er.
»Nein«, antwortete Wallander. »Nichts ist aufgeklärt.«
»Dann müssen wir eben weiter hoffen.«
Björk verschwand durch die Tür. Es ist, als hätte unsere Auseinandersetzung niemals stattgefunden, dachte Wallander. Oder er ist konfliktscheuer als ich. Oder weniger nachtragend.
Wallander versammelte die Ermittlungsgruppe und wertete aus, was in Malmö passiert war.
»Glaubst du, er ist es?« fragte Rydberg, als Wallander schwieg.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Wallander.
»Das heißt mit anderen Worten, du glaubst nicht, daß er es ist?«
Wallander antwortete nicht. Er zuckte nur resigniert mit den Schultern.
Als sie die Sitzung beendet hatten, fragte Martinsson, ob Wallander sich vorstellen könne, in der Silvesternacht mit ihm den Dienst zu tauschen. Wallander dachte nach. Vielleicht wäre es klug, zu arbeiten und
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