Wallander 10 - Wallanders erster Fall
wollte?«
»Das hat er nie gesagt.«
»Ihr Erinnerungsvermögen ist nicht schlecht«, sagte Wallander anerkennend. »Aber Sie wissen nicht, wann er diese Telefongespräche geführt hat?«
»Es muß doch mittwochs gewesen sein.«
»Und wann zuletzt?«
Die Antwort kam schnell und sicher. »Letzte Woche.«
»Sind Sie sicher?«
»Ja, klar bin ich sicher. Er hat am letzten Mittwoch ein Taxi gerufen. Am 28. Mai, wenn Sie es genau wissen wollen.«
»Gut«, sagte Wallander. »Sehr gut.«
»Hilft Ihnen das?«
»Ganz bestimmt.«
»Wollen Sie mir immer noch nicht verraten, was passiert ist?«
»Ich kann nicht«, antwortete Wallander, »selbst wenn ich wollte.«
|70| »Und können Sie es später erzählen?«
Das versprach Wallander. Dann beendete er das Gespräch und dachte noch einmal darüber nach, was sie gesagt hatte. Was bedeutete es? Hålén hatte irgendwo eine Frau. Nachdem er sie angerufen hatte, bestellte er ein Taxi.
Wallander piekste die Kartoffeln an. Sie waren noch nicht gar. Ihm fiel ein, daß er einen guten Freund hatte, der in Malmö Taxi fuhr. Sie waren von der ersten Klasse an Schulkameraden gewesen und hatten über die Jahre hinweg den Kontakt gehalten. Er hieß Lars Andersson, und Wallander erinnerte sich, daß er seine Telefonnummer auf der Innenseite des Telefonbuchs notiert hatte.
Er suchte die Nummer und wählte sie. Eine Frau nahm ab. Es war Anderssons Frau Elin. Wallander hatte sie ein paarmal getroffen.
»Ist Lars da?« fragte er.
»Er fährt«, erwiderte sie. »Aber er hat die Tagesschicht. Er kommt wohl bald nach Hause.«
Wallander bat sie, ihrem Mann zu sagen, er solle ihn anrufen.
»Was machen die Kinder?« fragte sie.
»Ich habe keine Kinder«, antwortete Wallander erstaunt.
»Dann muß ich etwas mißverstanden haben«, meinte sie. »Ich dachte, Lars hätte gesagt, Sie hätten zwei Söhne.«
»Leider nicht«, sagte Wallander. »Ich bin noch nicht einmal verheiratet.«
»Kinder kann man doch trotzdem kriegen«, sagte sie und beendete das Gespräch.
Die Kartoffeln waren mittlerweile fertig. Wallander bereitete sich daraus mit den Zwiebeln und Resten aus dem Kühlschrank eine Mahlzeit.
Mona hatte immer noch nicht angerufen.
Es hatte wieder angefangen zu regnen.
Von irgendwoher ertönte Akkordeonmusik.
Er fragte sich, was er eigentlich machte. Sein Nachbar Hålén hatte Selbstmord begangen. Vorher hatte er seine Diamanten geschluckt. Jemand hatte versucht, sie zu bekommen, und als das nicht gelang, vor Wut die Wohnung in Brand gesetzt. Idioten gab es genug. Ebenso wie gierige Menschen. Aber es war kein Verbrechen, |71| Selbstmord zu begehen. Und auch nicht, habgierig zu sein.
Es wurde halb sieben. Lars Andersson hatte noch nicht zurückgerufen. Wallander entschloß sich, bis sieben Uhr zu warten, dann würde er es nochmals versuchen.
Um fünf vor sieben klingelte das Telefon. Es war Andersson.
»Wir haben immer mehr zu fahren, wenn es regnet. Elin sagte, daß du angerufen hast.«
»Ich bin da mit einer Ermittlung beschäftigt«, sagte Wallander. »Und ich dachte, du könntest mir vielleicht helfen. Es geht darum, einen Taxifahrer zu finden, der am vorigen Mittwoch eine Fahrt hatte. Gegen drei Uhr. Von einer Adresse hier in Rosengård. Ein Mann namens Hålén.«
»Was ist denn passiert?«
»Ich kann im Moment nicht darüber sprechen«, erwiderte Wallander und merkte, wie sein Unbehagen jedesmal größer wurde, wenn er eine ausweichende Antwort gab.
»Das kriege ich wohl hin«, sagte Andersson. »Die Zentrale in Malmö ist auf Draht. Kannst du mir die Einzelheiten noch mal sagen? Und wo soll ich dann anrufen? Im Polizeipräsidium?«
»Am besten rufst du bei mir an. Ich habe die ganze Sache in der Hand.«
»Von zu Hause aus?«
»Ja, im Moment jedenfalls.«
»Ich werde sehen, was ich tun kann.«
»Wie lange wirst du wohl dafür brauchen?«
»Wenn wir Glück haben, geht es schnell.«
»Ich bin zu Hause«, sagte Wallander. Er gab Andersson alle Einzelheiten, die er hatte. Als das Gespräch vorüber war, trank er Kaffee. Mona hatte immer noch nicht angerufen. Dann dachte er an seine Schwester. Und daran, welche Erklärung sein Vater wohl dafür gegeben hatte, daß Wallander das Haus so schnell wieder verlassen hatte. Wenn er es überhaupt für nötig befunden hatte, zu erwähnen, daß sein Sohn dagewesen war. Kristina ergriff häufig Partei für den Vater. Wallander hatte den Verdacht, daß es eigentlich aus Feigheit geschah. Daß sie vor ihrem Vater und seinen
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