Wallander 10 - Wallanders erster Fall
nur.
Da hatte Wallander genug. Er nahm seine Jacke und ging ohne ein Wort zu sagen hinaus. Ich werde nie nach Österlen hinausfahren, dachte er. Ich setze keinen Fuß in sein Haus. Ich verstehe nicht, wie ich es mit dem Alten die ganzen Jahre über ausgehalten habe. Aber jetzt reicht es. Ohne es zu merken, hatte er angefangen, auf der Straße mit sich selber zu reden. Ein Radfahrer, der sich gegen den starken Wind duckte, blickte sich verwundert nach ihm um.
Wallander fuhr nach Hause. Die Tür zu Håléns Wohnung stand offen. Er ging hinein. Ein einsamer Kriminaltechniker war damit beschäftigt, Aschereste aufzusammeln.
»Ich dachte, ihr wärt fertig«, sagte Wallander erstaunt.
»Sjunnesson nimmt es genau«, antwortete der Techniker.
Das Gespräch wurde nicht fortgesetzt. Wallander ging zurück ins Treppenhaus und schloß seine Tür auf.
Im gleichen Moment kam Linnea Almqvist durch die Haustür herein. »Furchtbar«, sagte sie. »Armer Kerl. Und so allein, wie er war.«
»Er hatte aber anscheinend eine Freundin«, sagte Wallander.
»Das kann ich mir nicht denken«, antwortete Linnea Almqvist. »Das hätte ich gemerkt.«
»Das glaube ich bestimmt«, bestätigte Wallander, »aber er braucht sie ja nicht hier getroffen zu haben.«
»Man soll nicht schlecht von den Toten reden«, antwortete sie streng und wandte sich der Treppe zu.
|68| Wallander fragte sich, wie man es als Verleumdung eines Toten verstehen konnte, wenn man erwähnte, daß es in dessen im übrigen einsamen Leben eine Frau gegeben hatte.
Als Wallander in seine Wohnung kam, konnte er die Gedanken an Mona nicht länger verdrängen. Er dachte, daß er sie anrufen sollte. Oder vielleicht ließ sie selbst im Laufe des Abends von sich hören. Um seine Unruhe loszuwerden, begann Wallander, alte Zeitungen zu sortieren und wegzuwerfen. Dann machte er sich ans Badezimmer. Er brauchte nicht lange, um festzustellen, daß sich dort bedeutend mehr Schmutz festgesetzt hatte, als er sich hatte vorstellen können. Erst nach drei Stunden gab er zufrieden auf. Es war fünf Uhr geworden. Er setzte Kartoffeln auf und schälte Zwiebeln.
In dem Moment klingelte das Telefon. Er dachte sofort, daß es Mona wäre, und fühlte sein Herz schneller schlagen.
Aber es war eine andere Frauenstimme, die ihm aus dem Hörer entgegenkam. Sie nannte ihren Namen. Maria. Es dauerte ein paar Sekunden, bevor er begriff, daß es die Verkäuferin aus dem Tabakgeschäft war.
»Ich hoffe, ich störe nicht«, sagte sie. »Ich habe den Zettel verloren, den Sie mir gegeben haben. Sie stehen nicht im Telefonbuch. Ich hätte zwar die Auskunft anrufen können, aber ich habe statt dessen bei der Polizei angerufen.«
Wallander fuhr zusammen. »Und was haben Sie gesagt?«
»Daß ich einen Polizisten suche, der Kurt Wallander heißt. Und daß ich wichtige Informationen hätte. Zuerst wollten sie mir Ihre Privatnummer nicht geben, aber ich habe nicht lockergelassen.«
»Sie haben also nach Kriminalassistent Wallander gefragt?«
»Nein, ich habe nach Kurt Wallander gefragt. Spielt das denn eine Rolle?«
»Überhaupt nicht«, antwortete Wallander und fühlte sich erleichtert. Klatsch machte im Polizeipräsidium schnell die Runde. Es hätte Probleme mit sich bringen können und wäre außerdem eine unnötige, witzige Geschichte gewesen, daß Wallander herumlief und sich als Kriminalassistent ausgab. So wollte er seine Karriere als Kriminalbeamter nicht beginnen.
»Ich habe gefragt, ob ich störe«, wiederholte sie.
|69| »Nein, überhaupt nicht.«
»Ich habe noch einmal nachgedacht«, sagte sie. »Über Hålén und seine Tippscheine. Er hat übrigens nie gewonnen.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich amüsiere mich damit nachzuschauen, was die Menschen tippen. Und Hålén hatte so gut wie überhaupt keine Ahnung von Fußball.«
Genau das hat Hemberg auch gesagt, dachte Wallander. Darüber dürfte jedenfalls kein Zweifel mehr bestehen.
»Ich habe auch noch einmal über die Telefongespräche nachgedacht«, fuhr sie fort. »Und da ist mir eingefallen, daß er einige Male auch noch jemand anders angerufen hat.«
Wallander wurde hellhörig. »Und wen?«
»Die Taxizentrale.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich hörte, wie er einen Wagen bestellte und die Adresse des Tabakgeschäfts angab.«
Wallander überlegte. »Und wie oft hat er ein Taxi bestellt?«
»Drei- oder viermal. Immer, nachdem er zuerst die andere Nummer angerufen hat.«
»Sie haben nicht zufällig gehört, wohin er fahren
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