Wallander 10 - Wallanders erster Fall
die Tür gesetzt hätte?«
»Davon hat er mir kein Wort gesagt.«
»Du brauchst nicht alles zu glauben, was er sagt. Jedenfalls nicht, was er über mich sagt.«
»Dann stimmt es also nicht?«
»Gar nichts stimmt. Er hat mir nicht einmal erzählt, daß er das Haus gekauft hat. Er hat es mir nicht zeigen wollen, nicht davon geredet, was es kostet. Als ich ihm beim Packen helfen wollte, habe ich einen alten Teller fallen lassen, und er hat ein wahnsinniges Theater veranstaltet. Ich bleibe sogar auf der Straße stehen und rede mit ihm, wenn ich ihm begegne. Auch wenn er manchmal nicht ganz gescheit aussieht.«
Wallander merkte, daß sie nicht überzeugt war. Das ärgerte ihn. Aber noch mehr empörte es ihn, daß sie dasaß und ihn maßregelte. |84| Es erinnerte ihn an seine Mutter. Und an Mona. Und warum nicht auch an Helena. Frauen, die sich anmaßten, ihm vorzuschreiben, wie er sich zu benehmen hatte, konnte Wallander nicht ertragen. »Du glaubst mir nicht«, sagte er sauer, »aber das solltest du. Vergiß nicht, daß du in Stockholm wohnst und daß ich den Alten die ganze Zeit hier dicht auf der Pelle habe. Das ist ein gewisser Unterschied.«
Das Telefon klingelte. Es war zwanzig Minuten nach sieben. Wallander nahm ab.
Es war Helena. »Ich habe dich gestern abend angerufen«, sagte sie.
»Ich habe die Nacht über gearbeitet.«
»Weil sich niemand gemeldet hat, dachte ich, es wäre die falsche Nummer. Also habe ich Mona angerufen und sie gefragt.«
Wallander wäre beinah der Telefonhörer aus der Hand gefallen. »Du hast was getan?«
»Ich habe Mona angerufen und nach deiner Nummer gefragt.« Wallander waren sofort die Konsequenzen klar. Wenn Helena Mona angerufen hatte, bedeutete das, daß Monas Eifersucht mit voller Kraft aufwallen würde. Das würde ihr Verhältnis nicht verbessern.
»Bist du noch dran?« fragte sie.
»Ja«, antwortete Wallander. »Aber im Moment habe ich gerade Besuch von meiner Schwester.«
»Ich bin im Büro. Du kannst zurückrufen.«
Wallander legte auf und kehrte in die Küche zurück. Kristina sah ihn fragend an. »Ist dir nicht gut?«
»Doch«, sagte er, »aber ich muß jetzt arbeiten.«
Sie trennten sich im Flur.
»Du solltest mir glauben«, sagte Wallander. »Man kann sich nicht immer auf das verlassen, was Papa sagt. Grüß ihn von mir und sage ihm, daß ich hinauskomme, sobald ich kann. Wenn ich denn willkommen sein sollte und wenn mir endlich jemand erzählen würde, wo dieses Haus überhaupt liegt.«
»Am Ortsrand von Löderup«, erklärte Kristina. »Du fährst an einem Dorfladen vorbei, dann durch eine Weidenallee, und an deren Ende liegt das Haus auf der linken Seite. Zur Straße hin steht |85| eine Steinmauer. Das Haus hat ein schwarzes Dach und ist sehr schön.«
»Bist du da gewesen?«
»Die erste Fuhre ist ja gestern abgegangen.«
»Weißt du, was er dafür bezahlt hat?«
»Das sagt er nicht.«
Kristina ging. Wallander winkte ihr durchs Küchenfenster nach. Seinen Ärger über das, was sein Vater gesagt hatte, schluckte er hinunter. Schlimmer war es schon, was Helena gesagt hatte. Wallander rief sie an. Als er hörte, daß sie ein anderes Telefongespräch führte, knallte er den Hörer auf. Er verlor selten die Kontrolle. Aber jetzt merkte er, daß er ziemlich dicht daran war. Er rief noch einmal an. Immer noch besetzt. Mona wird Schluß machen, dachte er. Sie wird glauben, daß ich wieder angefangen habe, Helena den Hof zu machen. Es wird keine Rolle spielen, was ich sagen werde. Sie wird es sowieso nicht glauben.
Er rief noch einmal an. Diesmal nahm sie ab.
»Was wolltest du vorhin?« fragte Wallander.
Ihre Stimme war fast böse, als sie antwortete. »Mußt du so unfreundlich sein?«
»War es wirklich nötig, Mona anzurufen?«
»Sie weiß doch, daß ich mich nicht länger für dich interessiere.«
»Weiß sie das? Da kennst du aber Mona schlecht!«
»Ich habe nicht die Absicht, mich dafür zu entschuldigen, daß ich mich nach deiner Telefonnummer erkundigt habe.«
»Also, was wolltest du?«
»Dir von meinen Nachforschungen berichten. Kapitän Verke hat mir geholfen. Erinnerst du dich? Ich sagte doch, daß wir einen alten Kapitän hier haben.«
Wallander fiel es wieder ein.
»Ich habe Fotokopien vor mir auf dem Tisch. Listen von Matrosen und Maschinisten, die in den letzten zehn Jahren bei schwedischen Reedereien gearbeitet haben. Wie du dir vorstellen kannst, sind es ziemlich viele. Bist du übrigens sicher, daß der Mann nur auf Schiffen
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