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Wallander 10 - Wallanders erster Fall

Wallander 10 - Wallanders erster Fall

Titel: Wallander 10 - Wallanders erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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seinen Kollegblock zur Seite. »Haben Sie in der letzten Zeit etwas Ungewöhnliches an ihm bemerkt?«
    »Ich habe ihn nur einmal im Monat getroffen, um meinen Lohn abzuholen.«
    »Wann war das zuletzt?«
    »Vor zwei Wochen.«
    »Und da war er wie immer?«
    |202| »Ja.«
    »Er wirkte nicht beunruhigt? Nicht nervös?«
    »Nein.«
    »Sie haben auch im Laden nichts bemerkt? Irgend etwas, was sich verändert hatte?«
    »Nichts.«
    Sie ist eine ausgezeichnete Zeugin, dachte Wallander. Ihre Antworten sind bestimmt. Sie hat eine gute Beobachtungsgabe. Ich brauche nicht zu bezweifeln, daß sie sich richtig erinnert.
    Er hatte keine Fragen mehr. Das Gespräch hatte weniger als zwanzig Minuten gedauert. Er rief Martinsson an, der versprach, dafür zu sorgen, daß Hilda Waldén nach Hause gebracht wurde.
    Als er wieder allein war, trat er ans Fenster und blickte in den Regen hinaus. Er fragte sich zerstreut, wann wohl der Frühling käme. Und wie es sein würde, ihn ohne Mona zu erleben. Dann meldeten sich seine Zahnschmerzen wieder. Er sah auf die Uhr. Noch war es zu früh. Sein Zahnarzt war noch nicht in der Praxis. Gleichzeitig fragte er sich, wie Svedberg wohl zurechtkam. Eine Todesnachricht zu überbringen war eine der gefürchtetsten Aufgaben für einen Polizisten. Besonders, wenn es sich um einen unerwarteten und brutalen Mordfall handelte. Aber er zweifelte nicht daran, daß Svedberg seine Aufgabe bewältigen würde. Er war ein guter Polizist. Vielleicht nicht besonders begabt, aber eifrig, und sein Schreibtisch war stets pedantisch aufgeräumt. Das machte ihn zu einem der besten, mit denen Wallander je zusammengearbeitet hatte.
    Er wandte sich vom Fenster ab, ging hinaus in den Eßraum und holte eine Tasse Kaffee. Was konnte wohl passiert sein? Simon Lamberg ist ein Fotograf, der auf die Sechzig zugeht, dachte er. Ein Mann mit festen Gewohnheiten, der sein Fotoatelier tadellos führt. Der Konfirmanden, Hochzeitspaare und Kinder aller Altersstufen fotografiert. Seiner Putzfrau zufolge pflegt er zwei Abende in der Woche in seinem Atelier zu verbringen. Dann sitzt er im Hinterzimmer und kramt in seinen Papieren und hört Musik.
    Wallander war wieder in seinem Zimmer angelangt. Er stellte sich mit der Kaffeetasse in der Hand ans Fenster und starrte erneut in den Regen hinaus.
    |203| Warum saß Lamberg dort im Atelier? Etwas daran hatte Wallanders Neugier geweckt.
    Er schaute auf die Uhr.
    Im gleichen Augenblick rief Ebba an. Sie hatte seinen Zahnarzt erreicht. Wallander konnte sofort kommen.
    Er beschloß, nicht länger zu warten. Wenn er die Ermittlung in einem Mordfall leiten wollte, konnte er nicht mit Zahnschmerzen herumlaufen. Er ging zu Martinsson hinein.
    »Ich habe mir gestern einen Zahn abgebissen«, sagte er. »Ich gehe jetzt zum Zahnarzt. Ich nehme an, daß ich in einer Stunde wieder hier bin. Dann halten wir eine Besprechung ab. Ist Svedberg schon zurück?«
    »Nicht, soweit ich weiß.«
    »Sieh zu, ob Nyberg eine Weile dabeisein kann. Damit wir seine ersten Eindrücke hören können.«
    Martinsson gähnte und streckte sich auf seinem Stuhl. »Wem kann es Spaß gemacht haben, einen alten Fotografen zu erschlagen?« fragte er. »Ein Einbruch scheint es ja nicht gewesen zu sein.«
    »Was heißt schon alt«, sagte Wallander. »Sechsundfünfzig. Aber ansonsten bin ich deiner Meinung.«
    »Er ist also im Laden überfallen worden. Wie ist der Täter hereingekommen?«
    »Entweder mit Schlüsseln, oder Lamberg hat ihn hereingelassen.«
    »Lamberg wurde von hinten erschlagen.«
    »Was viele verschiedene Erklärungen haben kann. Und keine davon haben wir.«
    Wallander verließ das Präsidium und ging zu seinem Zahnarzt, der seine Praxis am Stortorg hatte. Unmittelbar neben dem Radiogeschäft. Als Kind hatte Wallander vor den Zahnarztbesuchen Angst gehabt, zu denen er regelrecht mitgeschleppt werden mußte. Im Erwachsenenalter war seine Angst plötzlich verflogen. Jetzt wollte er nur so schnell wie möglich die Schmerzen loswerden. Er sagte sich auch, daß der kaputte Zahn ein erstes Anzeichen für sein zunehmendes Alter war. Der Verfall kam auf leisen Sohlen.
    Wallander durfte sofort ins Behandlungszimmer und setzte sich auf den Stuhl. Der Zahnarzt war jung und arbeitete schnell und |204| routiniert. Nach einer guten halben Stunde war er fertig. Der Schmerz war in ein dumpfes Pochen übergegangen.
    »Das vergeht bald«, sagte der Zahnarzt. »Aber Sie sollten noch einmal wiederkommen, damit ich Ihren Zahnstein entfernen

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