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Wallander 10 - Wallanders erster Fall

Wallander 10 - Wallanders erster Fall

Titel: Wallander 10 - Wallanders erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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sich nach dem unruhigen Schlaf der vergangenen Nacht noch erschöpft fühlte, machte er einen Spaziergang hinunter zum Sankta Gertruds Torg. Der Nieselregen hielt an. Wieder fragte er sich, wann endlich der Frühling käme. Alle Schweden sind im April voller Ungeduld, dachte er. Nie setzt der Frühling pünktlich ein. Immer kommt der Winter zu früh und der Frühling zu spät.
    Die Menschenmenge vor Lambergs Atelier war größer geworden. Wallander kannte einige der Leute, zumindest hatte er ihre Gesichter schon einmal gesehen. Er nickte und grüßte. Aber er beantwortete keine Fragen. Er stieg über das Absperrband und betrat den Laden. Nyberg stand mit einem Thermoskannenbecher in der Hand da und schimpfte mit einem seiner Techniker. Er unterbrach sich nicht, als Wallander eintrat. Erst, als er zu Ende gemeckert und alles gesagt hatte, was er wollte, wandte er sich Wallander zu. Er zeigte ins Innere des Ateliers. Die Leiche war inzwischen fortgebracht worden. Es war nur noch der große Blutfleck auf dem weißen Hintergrundpapier zu sehen. Man hatte einen künstlichen Pfad aus Plastikfolie ausgelegt.
    |209| »Geh darauf«, sagte Nyberg. »Wir haben ziemlich viele Fußabdrücke gefunden.«
    Wallander zog einen Plastikschutz über seine Schuhe, steckte ein Paar Plastikhandschuhe in die Tasche und ging vorsichtig in das Hinterzimmer, das als Büro und als Dunkelkammer fungiert hatte.
    Wallander erinnerte sich, daß er, als er vielleicht vierzehn oder fünfzehn Jahre alt war, den leidenschaftlichen Wunsch hatte, Fotograf zu werden. Aber er wollte kein Atelier unterhalten. Er wollte Pressefotograf werden. Bei allen großen Ereignissen würde er in der ersten Reihe stehen und seine Bilder machen, während andere ihn fotografierten.
    Als er das Hinterzimmer betrat, fragte er sich, wieso dieser Wunsch sich eigentlich verflüchtigt hatte. Plötzlich war er nicht mehr dagewesen. Heute besaß Wallander nur eine einfache Instamatik, die er selten benutzte. Ein paar Jahre später hatte er Opernsänger werden wollen. Doch auch daraus war nichts geworden.
    Er zog die Jacke aus und blickte sich um. Aus dem Atelier hörte er, daß Nyberg wieder angefangen hatte zu meckern. Wallander bekam nur ungefähr mit, daß es sich um die nachlässige Messung eines Abstands zwischen zwei Fußabdrücken handelte. Er schaltete das Radio ein. Klassische Musik. Lamberg ging manchmal abends ins Atelier, hatte Hilda Waldén gesagt, um zu arbeiten und um Musik zu hören. Klassische Musik. Soweit stimmten ihre Angaben.
    Wallander setzte sich an den Schreibtisch. Alle Dinge darauf lagen in vorbildlicher Ordnung. Er hob die grüne Schreibunterlage an. Nichts. Dann stand er auf, ging zu Nyberg hinaus und fragte ihn, ob sie ein Schlüsselbund gefunden hätten. Das war der Fall. Wallander zog die Plastikhandschuhe über und ging zurück. Er suchte den passenden Schlüssel, um die Schreibtischschubladen aufzuschließen. In der oberen lagen verschiedene Steuerformulare und die Korrespondenz mit dem Steuerberater des Ateliers. Wallander blätterte die Papiere vorsichtig durch. Er suchte nach nichts Bestimmtem, es konnte alles wichtig sein.
    Methodisch ging er Schublade um Schublade durch. Nichts von dem, was er fand, ließ ihn aufmerken. Simon Lambergs Leben |210| schien ein gut organisiertes Leben gewesen zu sein, ohne Geheimnisse, ohne Überraschungen. Aber noch kratzte er nur an der Oberfläche. Er beugte sich hinunter und zog die unterste Schublade heraus. Darin lag ein Fotoalbum. Der Einband war aus feinstem Leder. Wallander legte es vor sich auf den Tisch und schlug die erste Seite auf. Mit gerunzelter Stirn betrachtete er eine einzelne Fotografie, die mitten auf der Seite eingeklebt war. Sie war nicht größer als ein Paßbild. In einer der Schubladen, die er vorher durchgesehen hatte, war Wallander ein Vergrößerungsglas aufgefallen. Er holte es hervor, machte eine der beiden Schreibtischlampen an und studierte das Bild genauer.
    Es stellte den Präsidenten der USA dar. Ronald Reagan. Doch das Bild war deformiert. Das Gesicht war verzerrt worden. Es war Ronald Reagan, aber auch wieder nicht. Der faltige alte Mann war zu einem widerwärtigen Monster geworden. Unmittelbar neben dem Bild stand mit Tinte ein Datum geschrieben: Zehnter August 1984.
    Neugierig geworden, blätterte Wallander um. Wieder ein einzelnes Bild in der Mitte der Seite. Diesmal war es das Bild eines früheren Ministerpräsidenten Schwedens. Wieder ein entstelltes, deformiertes

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