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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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du nicht lieber beim Lykeion sein?« fragte ich zurück. »Du willst doch bestimmt kein Geschäft versäumen, zumal dort genug einfältige junge Männer mit Geld in den Taschen herumlaufen.«
    Sokrates lachte und entblößte dabei ein erstklassiges Sortiment gelber Zähne – er putzt sie nie, selbst wenn er Zwiebeln und Knoblauch gegessen hat, weil er derartige Gewohnheiten für dekadent und unter der Würde eines Asketen hält. Was seine Vorliebe für gefüllte Wachteln betrifft, so benimmt er sich für einen Asketen allerdings recht schamlos.
    »Das solltest du doch besser wissen, Sohn des Euchoros«, entgegnete er. »Wenn du so etwas behauptest, bringst du mich in Schwierigkeiten. Du hast zu viele deiner eigenen Stücke gesehen.«
    »Hast du gerade zu tun?« fragte ich ihn und machte auf der Bank Platz für ihn. »Bis zu meiner Verhandlung muß ich noch etwa eine Stunde Wartezeit totschlagen, und wie ich weiß, bist du jederzeit zu einem Plausch bereit.«
    »Aber sicher«, willigte er ein. »Und da du es bist, ausnahmsweise sogar kostenlos. Du mußt mir nur versprechen, keine meiner Ideen für dein Verfahren zu stehlen. Bist du Kläger oder Verteidiger?«
    »Verteidiger«, antwortete ich.
    Er nickte. »Eine schwerwiegende Anklage?«
    »Ziemlich schwerwiegend«, entgegnete ich. »Ich soll einer der Männer gewesen sein, die die Statuen zertrümmert haben.«
    Sokrates hob die Brauen. »Wirklich?« fragte er und setzte sich neben mich. »Und – hast du es getan?«
    »Nein«, erwiderte ich. »Zu der Zeit habe ich mit meiner Frau Phaidra im Bett gelegen. Aber als Frau kann sie natürlich nicht aussagen, und weitere Zeugen, die mich gesehen haben, kann ich nicht beibringen. Das ist genau der Punkt, der mir Sorge bereitet, Sokrates. Vielleicht können du und ich das ja gemeinsam klären, falls du gerade nichts Besseres vorhast. Warum ist es Frauen verboten, im Gerichtssaal eine Aussage zu machen, während Männer und sogar Sklaven, nachdem sie gefoltert worden sind, als Zeugen anerkannt werden?« Ich kratzte mich an der Nase und fuhr fort: »Schließlich verfügen Frauen über dieselben fünf Sinne wie wir und haben Verstand, genau wie Männer. Einerseits schenken wir den Aussagen von Männern mit zweifelhaftem Charakter Gehör und trauen uns sogar die Fähigkeit zu, deren Bedeutung abzuschätzen, doch andererseits erkennen wir die Aussagen von Frauen nicht an. Warum?«
    Sokrates faltete die Hände um das linke Knie und lehnte sich ein wenig zurück. »Du behauptest also, zwischen Mann und Frau gibt es keinen Unterschied?«
    »Natürlich gibt es einen Unterschied«, widersprach ich, »genau wie es einen Unterschied zwischen Griechen und Ausländern und zwischen Athenern und sonstigen Griechen gibt. Aber dieser Unterschied macht nicht so viel aus, um noch länger davon auszugehen, daß alles, was Frauen sagen, der Unwahrheit entspricht. Ich meine, wenn du deine Frau fragst, was es zum Mittagessen gibt, und sie antwortet, Trockenfisch, glaubst du ihr doch auch, oder?«
    »Ja«, antwortete Sokrates, wobei er es sich auf der Bank gemütlicher machte. »Ausnahmslos.«
    »Und wenn du sie fragst, was sie getan hat, während du weg warst, und sie antwortet, sie habe das Loch in deinem Chiton geflickt, bezweifelst du das nicht, oder? Solange es keinen Gegenbeweis gibt – wie beispielsweise verräterischen Weingeruch in ihrem Atem oder zerwühltes Bettzeug.«
    »Dann habe ich wirklich keinerlei Zweifel, Eupolis.«
    »Und dabei ist deine Gattin Xanthippe bestimmt keine übertrieben wahrheitsliebende Frau, oder?« fuhr ich fort. »Und sie steht auch nicht unter einem Bann, wie diese Frau in der alten Geschichte, die Apollon betrogen hat und deshalb mit der Unfähigkeit zu lügen bestraft worden ist, nicht wahr?«
    »In dieser Hinsicht ist sie wie alle anderen Frauen«, antwortete Sokrates, der sich offenkundig fragte, worauf das Ganze hinauslaufen solle. »Beschwören könnte ich das allerdings nicht.«
    »Aber wenn es nun zu irgendeiner Anklage käme und sie Zeugin wäre, könnte sie keine Aussage machen«, sagte ich. »Erklär mir mal, warum das so ist, das möchte ich gern wissen. Dann wäre ich nämlich möglicherweise imstande, das Gericht dazu zu überreden, Phaidra aussagen zu lassen, und müßte am Ende vielleicht nicht sterben.«
    Kurz runzelte Sokrates die Stirn. »Was ist deiner Meinung nach der Unterschied zwischen Mann und Frau?« fragte er. »Ich meine den Hauptunterschied, nicht die offensichtlichen anatomischen

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