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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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jene Gedanken, die das den Verfasser verkörpernde Mischwesen gehegt haben könnte, wenn es einen solchen Menschen jemals gegeben hätte. In einer Hinsicht spiegelte das Stück auch meine eigene Meinung wider: nämlich daß es die Deinen, Dörfer und Landschaften Attikas sind, die zählen, und daß es sich bei den großen Männern und ihren politischen Parteien und Bewegungen lediglich um die Diener der Demen handelt, was diese nie vergessen sollten.
    »Nun ja, Eupolis, das war ja alles sehr schlau von dir«, werden Sie jetzt sagen, »aber was geschah als nächstes?« Also gut, ich schrieb die Komödie, stellte sie (für meine Verhältnisse) ziemlich rasch fertig und gab sie zum Abschreiben. Während des Verfassens hatte sie ununterbrochen meine volle Konzentration in Anspruch genommen, und abgesehen von dem politischen Klatsch waren sämtliche Neuigkeiten gänzlich an mir vorbeigegangen. Doch wie Ihnen jeder Bühnenautor bestätigen wird, ist das eigentliche Schreiben des Stückes der einfachere und entspannendere Teil, und das wirklich harte Stück Arbeit besteht darin, daß die Komödie auch angenommen und auf die Bühne gebracht wird.

15. KAPITEL
     
    Logischerweise mußte ich als erstes Philonides aufsuchen. Allerdings hatte er seit der Katastrophe auf Sizilien nichts mehr mit dem Theater und der Einstudierung von Chören zu tun gehabt – ob irgendeine tiefere Bedeutung dahintersteckte oder das Ganze bloß ein Zufall war, weiß ich nicht –, und als ich ihm erzählte, daß ich eine neue Komödie hätte, die ich auf den nächsten Festspielen aufzuführen beabsichtigte, schien er davon nichts wissen zu wollen. Er behauptete, er werde langsam alt (was nur allzusehr der Wahrheit entsprach) und sei an derartigen Dingen nicht mehr interessiert. Doch ich redete auf ihn ein und setzte ihm so lange zu, bis er sich schließlich – eher, um mich loszuwerden, als aus irgendeinem anderen Grund – einverstanden erklärte, sich das Stück anzuhören und einen Blick auf die Abschrift der Lesefassung zu werfen.
    Von der Komödie war ich dermaßen überzeugt, daß ich nicht ein einziges Mal daran gezweifelt hatte, Philonides ganz und gar für mich zu gewinnen, wenn ich nur die Möglichkeit bekäme, sie ihm vorzutragen – und wie das Leben so spielt, lag ich damit richtig. Kaum hörte er den Auftritt des Chors, zappelte er mir schon im Netz; denn anders als die Leute, die versucht haben, ihn nachzuahmen, wußte er, daß er zu allererst das war, als was ihn seine Berufsbezeichnung auswies: ein Chorlehrer. Für ihn machte der Chor, genau wie für mich, den Kern eines Theaterstücks aus, und die Kostüme, die Tanzbewegungen, das Singen, das Sprechen der Verse und die Gesamtwirkung waren sein Hauptanliegen und seine größte Liebe. Besonders zeichnete er sich darin aus, Menschen als Masse zu lenken und zu führen, und in Sparta hätte man ihn deshalb zum Heerführer gemacht. Da er so gut mit Chören umzugehen wußte, war er auch imstande, einzelne Schauspieler zu lenken und zu steuern: Wie pflegte Philonides selbst zu sagen: Wenn man einem ganzen Chor mit einer einzigen Standpauke die Tränen in die Augen treiben kann, dürfte es einem nicht die geringste Schwierigkeit bereiten, seinen Willen bei einem einzelnen Schauspieler durchzusetzen. Nun erkannte Philonides sofort, daß mein Chor der Demen bei richtiger Handhabung und geeigneter Kostümierung der aufsehenerregendste und wirkungsvollste Chor werden könnte, den er jemals auf der Bühne gesehen hatte, und diese Verlockung war für ihn zu groß. Bis zur letzten Minute wehrte er sich mit Händen und Füßen, aber schließlich gab er sich geschlagen und erklärte sich bereit, diesen Chor als seinen letzten und besten aller Zeiten einzustudieren.
    Als nächstes mußte ich beim Archon vorsprechen, um einen Chor für die Dionysien zu beantragen, und ich muß gestehen, daß ich mir überhaupt nicht sicher war, diese Hürde überwinden zu können. Ohne Philonides als Rückhalt hätte ich keine Genehmigung erhalten, davon war ich überzeugt; aber auch so mußte ich Schreckliches durchstehen, bevor ich schließlich mein Ziel erreichte.
    Zunächst einmal gab es das Problem, daß die Komödie von mir geschrieben worden war. Wie ich vor kurzem schon gesagt habe, warf mich die öffentliche Meinung aufgrund meiner Verteidigungsrede ohne große Bedenken mit den Oligarchen in einen Topf, und deshalb war es vom Archon nur allzu verständlich zu glauben, die Wahl eines Stücks von Eupolis

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