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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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sonders ihre wohlüberlegten Ansichten über die nach ihrem Dafürhalten zu ergreifenden Maßnahmen mitteilen. Um jeder einzelnen dieser alles überragenden Figuren ein Gegengewicht zu bieten, setzte ich den Chor aus den Demen Attikas zusammen, mit Pallene als Chorführer; denn letzten Endes sind es die Demen und nicht die Stadt, die Athen ausmachen.
    Ich hatte mir vorgenommen, ein Stück zu schreiben, und zwar ein so gutes Stück, wie es überhaupt in meinen Kräften stand; doch je mehr ich schrieb, desto ernster wurde meine Komödie. Wie Sie dem gerade Erzählten entnehmen können, handelte es sich um ein sehr politisches Stück; und ich glaube nicht, daß ich ein derartiges Werk in einer anderen Zeit jemals verfaßt hätte. Ohne eine klare Aussage vor Augen zu haben, hatte ich angefangen; doch als sich das Stück entwickelte und ich mir vorzustellen versuchte, welchen Rat uns Solon vielleicht unter den derzeitigen Umständen wirklich gegeben hätte, merkte ich, wie sich nach und nach ein immer besserer Stoff entwickelte, dem ich mich nach ganzen Kräften gerecht zu werden bemühte. Das Ganze entsprach zwar überhaupt nicht meiner eigenen Meinung darüber, aber das ist nun wirklich nicht die Aufgabe eines Dichters. Zum Beispiel hatte Aristophanes durchweg den Krieg scharf kritisiert und vom ersten Tag seines Komödiendichterdaseins an dessen Beendigung gefordert; aber persönlich hat er nichts gegen den Krieg und machte sich – zumindest bis zu seiner Fahrt nach Sizilien – nur sehr wenige Gedanken darüber. Dennoch handelt es sich bei seinen Figuren hauptsächlich um Bauern aus der Klasse der schwerbewaffneten Fußsoldaten, und solche Menschen sind natürlich gegen den Krieg eingestellt; um nun trotzdem das schreiben zu können, was er will, und die Art Witze zu machen, die ihm gefallen, muß sich Aristophanes als friedliebender Mensch und Landbewohner darstellen, was kaum weiter von der Wahrheit entfernt sein könnte. Da ich mich zum Wortführer unserer großen politischen Führer aufgeschwungen hatte, war ich nun in ähnlicher Weise praktisch dazu gezwungen, ein leidenschaftliches Plädoyer für die Demokratie zu halten. Doch um aufrichtig gegen mich selbst zu sein, sprach ich mich für die guten Teile unserer Verfassung aus, für die Teile, die sich Solon ausgedacht hatte und die weder von Themistokles noch von Perikles vereitelt werden konnten. Was Athen heute bräuchte, so behauptete ich, sei die Form der Demokratie, in der jeder ein Anrecht habe, angehört zu werden, solange er keinen Unsinn rede; in der die Mehrheit die Minderheit nicht auf dieselbe Weise unterdrücken dürfe, wie es zu Solons Zeiten der Mehrheit durch die Minderheit ergangen sei. Eine derartige Staatsform (sagte ich) könne man offensichtlich nicht durch Gesetzgebung oder die Schaffung neuer Institutionen errichten. Die Demokratie sei das anfälligste System von allen. Überdies neige eine Demokratie von Natur aus stärker als jedes andere Regierungssystem zu Unterdrückung, Intoleranz und Gewalt, weil sie die Staatsform sei, die dem menschlichen Wesen die geringsten Einschränkungen auferlege. Doch die Demokratie, in der sich die Menschen selbst Grenzen setzten und sich dadurch aus eigenem Antrieb das auferlegten, was niemand sonst könne oder sollte, sei möglicherweise die beste aller Regierungsformen, solange sie auf gegenseitiger Toleranz und Rücksichtnahme sowie der grundlegenden Absicht beruhe, das zu tun, was dem Allgemeinwohl diene, und vor allem das, was unter den gegebenen Umständen möglich sei.
    Nun, das ist es, was ich in der Komödie gesagt habe. Wie Sie wissen, glaube ich kein Wort davon. Ich glaube nicht, daß sich irgendein Staat von der Größe Athens selbst regieren kann – gleichgültig, welche Regierungsform er wählt –, ohne der in ihm lebenden Bevölkerung unermeßlichen Schaden zuzufügen. Doch bin ich aufrichtig davon überzeugt, der Stadt in meiner Komödie den besten mir möglichen Rat gegeben zu haben, und ich bin noch heute stolz auf das damals Geschriebene. Das Stück entsprang meinen ureigensten Erlebnissen, und zwar in einer Weise, in der noch nie zuvor eine Komödie aus persönlicher Erfahrung heraus entstanden war, denn statt sich über die damaligen Maßnahmen lustig zu machen und sie zu kritisieren, unterbreitete es Vorschläge, was getan werden sollte; und statt einige wenige zu verletzen, um vielen zu gefallen, war es darauf angelegt, die Gedanken des Verfassers auszudrücken – oder zumindest

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