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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Mag sein, daß ich, seit ich zum Nachdenken über derartige Fragen alt genug gewesen war, die Demokratie nie besonders geschätzt habe, aber sie gehörte einfach nicht zu jenen Dingen, gegen die man mit berechtigter Hoffnung etwas auszurichten vermocht hätte; wenn man mit seiner Familie nicht gut auskommt, kann man ja auch nicht damit rechnen, aus ihr ausscheiden und sich einer anderen anschließen zu können. Es ist unmöglich, sich bewußt von seiner Heimatstadt zu trennen; man kann aus der Heimatstadt verbannt werden, doch handelt es sich dabei um eine äußerst drastische Maßnahme, die in vieler Hinsicht genauso grausam oder sogar noch grausamer ist, als hingerichtet zu werden. Nein, wenn mit der Staatsform von Athen irgend etwas Bedeutendes geschah, konnte selbst mich nichts davon abhalten, meine Meinung zu sagen.
    Als die Zeit der Festspiele allmählich näher rückte, wurde immer fieberhafter geprobt; Philonides brüllte, die Schauspieler konnten ihren Text immer noch nicht, und die Tuchwalker färbten aus Versehen einen ganzen Stoß Kostüme purpurn statt rot. Der wilden Eile im Theater selbst schien die hektische Betriebsamkeit davor zu entsprechen, so daß ich beides nach so vielen Jahren in meiner Erinnerung nicht mehr auseinanderhalten kann. Das Wort ›Betriebsamkeit‹ habe ich übrigens absichtlich gewählt; zwar ereignete sich nichts Wesentliches, aber von einer Unzahl von Menschen wurde ein riesiger Kraftaufwand betrieben, und wenn auf so engem Raum eine derartige Energie und Körperwärme entwickelt werden, muß aller Wahrscheinlichkeit nach früher oder später irgend etwas kaputtgehen oder zumindest schmelzen. Zwar war die Lage in der momentanen Kriegsphase nicht weniger aufregend, aber uns in der Stadt kam sie eher wie eine Randerscheinung vor und war in unseren Augen nur wenig mehr als eine Quelle neuer und dankbarer Streitfragen: Wie würden die Oligarchen auf dieses und jenes reagieren, und was sollte man aus den Entwicklungen in Persien am besten machen? Das war sehr kurzsichtig von uns, denn wir schwebten in großer Gefahr, die Herrschaft über die produktivsten der von uns abhängigen Staaten zu verlieren. Die Spartaner dachten nämlich allmählich nicht mehr wie homerische Helden, sondern wie vernünftige und einsichtige Menschen und kamen einem gegen uns gerichteten Pakt immer näher, den sie mit dem größten aller Feinde, dem Großkönig von Persien, schließen wollten. Wäre ich von den Vorbereitungen für die Komödie nicht so in Anspruch genommen worden, könnte ich hier für noch nicht geborene Generationen eine Menge interessanter Fakten über die paar wirklich spannenden Monate vor den Dionysien im März aufzeichnen, doch hatte ich damals nur eine ungenaue Vorstellung von den Ereignissen außerhalb der Stadt und im Krieg, und wenn ich Ihnen davon einen ausführlichen Bericht geben sollte, müßte ich hauptsächlich auf Gerüchte zurückgreifen, und zwar auf athenische Gerüchte. Aber falls es Sie tröstet, kann ich Ihnen statt dessen ein wenig über die Dionysien in jenem Jahr erzählen.
    Das vorwiegende – oder alleinige – Gesprächsthema waren die außergewöhnlichen Stücke, die Euripides darbieten wollte. Er selbst hielt sich bezüglich des Inhalts die ganze Zeit sehr bedeckt, was den wilden Spekulationen nur neue Nahrung gab. Denn zumindest eins der Stücke sollte (angeblich) unsere gesamte Auffassung von der Tragödie, von den Göttern und so ziemlich allem revolutionieren, was unser Leben ausmachte. Wie wir wußten, handelte eins der Stücke von Helena, und Euripides hatte auf sein altes Steckenpferd zurückgegriffen, auf die Geschichte im Stesichoros, nach der Helena nie nach Troja fuhr, sondern nach Ägypten weggezaubert wurde, während für Paris nur ein aus Wolken geformtes Ebenbild blieb. Damit warf er eine unermeßliche metaphysische Frage auf, auf die es keine unmittelbar einleuchtende Antwort gab. Ein zweites Stück drehte sich angeblich um Andromeda und behandelte den Stoff in ungefähr der gleichen Weise wie das erste; und beide Stücke sollten ein glückliches Ende haben und in vielerlei Hinsicht der Komödie näherstehen als der Tragödie. Nun vertrete ich die Lehrmeinung, daß viele von Euripides’ Tragödien unfreiwillige Komödien sind, und konnte es deshalb kaum erwarten, endlich zu sehen, was passieren würde, wenn sich Euripides bemühte, bewußt komisch zu sein, und rechnete deshalb fest damit, schon vor dem Auftritt des Chors nur

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