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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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ersten Menschen auf den Straßen, die auf den Vorbeizug der Prozession warteten. Nicht einmal die eigenartige Atmosphäre, die in der Stadt herrschte, konnte den Eröffnungstag der Dionysien verderben. Heute ist alles anders, doch damals gab es auf der ganzen Welt nichts Vergleichbares. Ich bitte Sie, sich zu gedulden, während ich den Umzug beschreibe – und sei es nur mir zum Gefallen, wenn Sie so wollen. Er gehörte nämlich voll und ganz zur besten Seite von Athens Charakter, und nach den ganzen schrecklichen Dingen, die ich über die Stadt geschrieben habe, halte ich es nur für angemessen, ihr die Möglichkeit zu geben, auch einmal in einem etwas besseren Licht gesehen zu werden.
    Kurz nach Tagesanbruch wurden sämtliche Gefangenen – bis auf die gefährlichen – unter Aufsicht aus den Gefängnissen geführt, um der Prozession zuzusehen, und die Mädchen, die man zum Tragen der Körbe ausgesucht hatte, nutzten die noch verbleibende Zeit, um überall ihre neuen Kleider zu zeigen, bis sie ihre Plätze einnehmen mußten. Die Prozession fing fast immer mit Verspätung an; doch sobald der Zug auftauchte, erklärte ihn ein jeder alle Jahre wieder zum eindeutig besten aller Zeiten. Zuerst kam stets die Statue des Gottes vorbei, gefolgt von den Korbträgerinnen und den jungen Männern, die man dazu ausgewählt hatte, satirische Lieder zu singen und jeder Berühmtheit, die sie in der Menschenmenge erkannten, vulgäre Beleidigungen an den Kopf zu werfen – weil die Stadt nunmehr unter Aufsicht von Dionysos stand und man allen Sterblichen, so bedeutend diese auch sein mochten, diese Tatsache bewußt machen mußte. Meistens gelang kurz darauf einem der Opfertiere – für gewöhnlich einem riesigen wilden Bullen – zu entkommen und den einen oder anderen in der Masse der Zuschauer mit den Hörnern aufzuspießen, und obendrein gab es Schlägereien und Diebstähle und Menschen, die in Ohnmacht fielen und niedergetrampelt wurden, und alle die Zutaten eines gelungenen und schönen Tages unter freiem Himmel.
    Nun folgte der feierliche und recht langweilige Teil, in dem die Dithyramben von Massenchören gesungen wurden und jeder ernst und andächtig auszusehen versuchte und sein möglichstes tat, nicht an den falschen Stellen zu husten. Ich habe zwar keine Ahnung, warum das so ist, aber selbst der fähigste Dichter bringt, sobald er zum Verfassen einer Dithyrambe aufgefordert wird, nur den schwülstigsten zwanzigminütigen Kitsch hervor, den man je im Leben gehört hat – also nur solche Verse, die ohne das geringste Zögern ausgepfiffen werden würden, baute man sie in ein Theaterstück ein. Aber da es sich um die Dithyrambe handelt, die ja irgendwie heilig und somit unantastbar ist, tut das gesamte Publikum so, als genösse es die herrlichste Dichtung seit Hesiod, und niemand sagt ein Wort oder wirft auch nur mit einem Kiefernzapfen. Doch wenn schließlich alles vorüber ist, sind alle äußerst erleichtert, und dann kann der eigentliche Spaß beginnen.
    Als erstes wird das Schwein abgestochen, begleitet von dem üblichen Blut und Quieken, was den Kindern immer besonders gefällt; dann werden die Trankopfer ausgeschenkt, während die meisten Zuschauer vor den Wurstverkäufern Schlange stehen und miteinander über die diesjährige Ernte plaudern. Doch zur Prozession befinden sie sich alle wieder auf ihren Sitzen, wenn die jungen Männer die Krüge mit Silber vorbeitragen, das nach Abzug aller städtischen Ausgaben von dem Tribut übriggeblieben ist (häufig wirkte das natürlich ein wenig lächerlich, da die Stadt zu dieser Zeit praktisch bankrott war, doch wurde der Umzug durchgeführt wie eh und je), und darauf folgte die feierliche Überreichung der Rüstungen an die Söhne der Männer, die in jenem Jahr im Kampf gefallen waren. Wie Sie sich denken können, artete dieser Teil der Feierlichkeiten leicht in offene Peinlichkeit aus. Bei den Dionysien nach Sizilien waren zum Beispiel nicht genügend Rüstungen vorhanden, und deshalb mußten die jungen Empfänger hinten um das Podium herumlaufen und die Rüstung, mit der man sie gerade so rührend beschenkt hatte, an den nächsten Anwärter weitergeben. Ich glaube, zum Schluß hatte zwar jeder eine Rüstung erhalten, denn das ist eine sehr ernste Angelegenheit, und nicht einmal die Politiker würden im Traum an Betrug denken, aber einige der jungen Männer mußten sich mehrere Jahre gedulden, und selbst dann gab es noch Klagen, daß ein paar Rüstungen nicht paßten oder

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