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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Abläufe betrifft, sind wir Athener nicht sehr beschlagen. So brachte beispielsweise Aristophanes immer wieder Chöre auf die Bühne, in denen Männer in der heutigen Zeit dargestellt wurden, die aber, bis auf die letzten paar überlebenden Veteranen, allesamt bei Marathon längst gefallen und begraben waren, was allerdings niemandem im Theater merkwürdig vorzukommen schien. Man glaubte trotzdem, viele der Marathonkämpfer seien noch immer am Leben, und deshalb hat sich nie jemand die Mühe gemacht, Überlebende der Schlacht aufzuspüren und sie selbst über das Geschehen zu befragen und ihre Berichte festzuhalten, um die Wahrheit niemals in Vergessenheit geraten zu lassen. Dann traten Männer wie der berühmte Herodot auf den Plan, und sie schrieben Bücher und hielten Vorträge, und plötzlich war niemand mehr da, der hätte sagen können, ob sie die Wahrheit getroffen hatten oder nicht. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum ich dieses Buch geschrieben habe – das und natürlich das Geld, das mir Dexitheos angeboten hat, sowie die Aussicht, den Winter über etwas zu tun zu haben. Du meine Güte, jetzt fange ich wirklich an abzuschweifen, oder? Ich sollte lieber mit der Erzählung fortfahren, bevor ich den Bezug zur Wirklichkeit noch völlig verliere.
    Daß ich ausgelost wurde, meinen Chor nach Euripides’ Tragödien am zweiten Tag auf die Bühne zu schicken, und mit mir selbst uneinig war, ob ich das gut oder schlecht fand, habe ich Ihnen ja bereits erzählt. Den Eröffnungstag hielt ich wie ein kleines Kind durch, das gespannt darauf wartet, das erstemal mit auf den Marktplatz gehen zu dürfen, und von den Tragödien bekam ich kaum etwas mit. Die Komödie am ersten Tag war ganz entsetzlich; sie gehörte zu einer der ersten dieser jämmerlichen Alltagspossen, die heutzutage so beliebt sind. Sie handelte von einem jungen Mann, der das Mädchen von nebenan heiraten will, aber aus irgendeinem unglaubwürdigen Grund nicht kann, und enthielt kaum einen Witz über die Politiker oder den Krieg, während die Chorlieder überhaupt nichts mit der Handlung zu tun hatten und anscheinend nachträglich hinzugefügt worden waren. Ich konnte die Komödie einfach nicht ausstehen und empfand es als sehr bedrückend, mitbekommen zu müssen, wie sehr sie vom Publikum beklatscht wurde. Wenn die Zuhörer einer schlechten Komödie Beifall spenden, fasse ich das als persönliche Beleidigung auf, es sei denn, es handelt sich dabei um eine von meinen. Als diese Travestie endlich ihr zähes Ende gefunden hatte, begab ich mich schnurstracks nach Hause, anstatt wie sonst im Theater zu bleiben, mich mit Leuten zu unterhalten, die ich seit dem vorigen Jahr nicht mehr gesehen hatte, und mich ganz allgemein zu freuen, dabeisein zu dürfen. Später schaute Philonides vorbei, um in letzter Minute noch einige Punkte mit mir durchzugehen; allerdings eher aus Höflichkeit als aus irgendeinem anderen Grund. Er hatte alles fest im Griff, ganz wie ein persischer Satrap, und benötigte von mir keine Hilfe. Ich wollte von ihm wissen, ob er davon gehörte habe, daß Aristophanes weitere Gemeinheiten gegen mich plane, woraufhin er mir einen höchst eigenartigen Blick zuwarf und entgegnete, daß sich Aristophanes für mich allmählich zu einer Art Zwangsvorstellung entwickle, und deshalb sprach ich nicht weiter davon. Ich aß früh zu Abend und begab mich gleich danach zu Bett, aber schlafen konnte ich natürlich nicht. Mehr als bei allen anderen Stücken, die ich vorher geschrieben hatte, wünschte ich mir, daß diese Komödie den ersten Platz belegen würde, und ich glaube, in diesem Augenblick wußte ich, daß sie im Falle eines Sieges meine letzte Komödie sein würde und ich danach mit dem Theater fertig wäre. Ich habe keine Ahnung, warum. Auch heute noch nicht.
    Kaum deutete sich der Morgen an, begab ich mich gut zwei Stunden vor Sonnenaufgang zu Philonides’ Haus, wo ich allerdings feststellen mußte, daß er noch im Bett lag und über meinen frühzeitigen Besuch alles andere als erfreut war. Er fühlte sich ganz allgemein niedergeschlagen – das war nur allzu verständlich, wenn man bedenkt, daß er just an diesem Tag seinen fünfundsiebzigsten Geburtstag beging –, aber nach einer heißen Tasse Wein mit Honig und Käse sowie einem Happen Brot hastete er bald umher wie ein Achtzehnjähriger, und nach und nach trudelten auch die Chorführer und die Schauspieler ein.
    Diesen Morgen werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Als erstes

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