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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Du lachst? Ich habe mir selbst vor Lachen fast in den Chiton gemacht. Jedenfalls kehrte ich wohlbehalten nach Athen zurück, nahm wieder meinen Beruf auf und habe für mich auch etwas erreicht, bin in die Klasse der schwerbewaffneten Fußsoldaten gekommen und so was alles. Als dann der alte Demosthenes seine Flotte aufbaut, läßt er alle Schmiede kommen, die er kriegen kann, und sie holen auch mich ab, obwohl ich weit über der Altersgrenze liege, und deshalb bin ich jetzt hier. Ich sage dir eins, mein Sohn, ich kann gut auf das alles verzichten, was hier abläuft. Ich habe wirklich keine Lust, von diesem ganzen Haufen der einzige Überlebende zu sein.«
    Er machte eine kreisende Handbewegung, mit der er das gesamte Lager einschloß. Ich schauderte leicht, weil ich ihn verstand.
    »Du bist zur gleichen Zeit wie ich hergekommen«, sagte ich. »Ich dachte, du hättest gesagt, du wärst schon eine Ewigkeit hier.«
    »Es kommt mir eben wie eine Ewigkeit vor, mein Sohn. War nett, mit dir geplaudert zu haben.«
    Er stand auf, reckte die Arme und schlenderte davon. Ich spuckte ins Feuer, um den Nachgeschmack der Wurst loszuwerden, und saß schweigend da, ohne an etwas Besonderes zu denken. Soweit ich mich zurückerinnern konnte – das heißt, seit ich von Bord gegangen war –, fing ich dann zum erstenmal wieder an, im Kopf Verse zu schmieden. Sie waren, wie ich bemerkte, sogar gut, und ich schloß die Augen, damit die Worte ins Gedächtnis übergingen und nicht weggeblasen wurden. Ich habe nämlich festgestellt, daß mein Gedächtnis wie ein Dreschboden ist: Wenn ich nicht die Pforten meiner Augen schließe, trägt der Wind zusammen mit der Spreu auch den Weizen davon.
    Ich ertappte mich dabei, wie ich die Geschichte des alten Schmieds für ein Stück namens Der Leidgeprüfte oder etwas in der Richtung zur Rede einer der Hauptfiguren machte. Die Handlung selbst sollte erst später kommen, möglicherweise bedürfte es aber auch gar nicht der gewöhnlichen Form der Handlung mit den ganzen politischen Anspielungen und den üblichen Witzen. Darauf kam es nicht so an; es sollte einfach ein Stück über diesen außergewöhnlichen, zugleich glücklichen und unglücklichen Mann sein, wie er die Welt sah, wie unglaublich grausam sie zu allen anderen und wie unglaublich freundlich sie zu ihm gewesen war. Ich saß da und erstellte diese Rede, wie man eine Mauer hochzöge – zuerst eine Lage, dann die zweite obenauf. Man könnte das Ganze auch mit einem Haufen Äpfel vergleichen, der zu hoch aufgetürmt worden ist und auf den der Sklave immer noch mehr Äpfel legt, so daß man daneben steht und auf den Einsturz wartet, der aber nicht erfolgt. Die Rede war gut, so lustig wie alles andere, was ich je geschrieben habe, und während ich Unglück auf Unglück über meine außergewöhnliche Figur häufte, vergaß ich völlig, wo ich war und was gerade rings um mich geschah.
    Dann stand plötzlich ein Taxiarchos über mir, brüllte irgend etwas und wollte nicht wieder weggehen. Also hob ich Helm und Schild auf, begab mich dorthin, wo ich seinem Befehl zufolge hingehen sollte, und schmiedete dabei fortwährend die Verse meiner Rede, so wie die Sklaven in der Münzanstalt die Münzen schlagen und in Krüge werfen. Ich reihte mich in eine lange, zu einem Schiff führende Menschenschlange ein und gewann den Eindruck, daß die Fußsoldaten für eine große Seeschlacht eingeschifft wurden, um nunmehr als Seesoldaten zu dienen. Doch gerade als ich bis an die Spitze der Schlange vorgerückt war, hieß es, es sei kein Platz mehr auf dem Schiff. Also setzte ich mich erneut auf meinen Helm und machte mich wieder an die Arbeit. Eine Zeitlang ließ man mich in Ruhe, aber dann schob mich irgend jemand in eine andere Reihe Soldaten. Nach einer Weile hob ich den Kopf und warf einen Blick über den Hafen, während ich mein Gehirn nach einem Kleidungsstück durchstöberte, das sich mit lang-lang-kurz ins richtige Versmaß bringen ließ, und sah, wie sich unsere Flotte von der Küste entfernte. Alle Schiffe lagen sehr tief im Wasser und waren bis zum Rand mit Soldaten vollgestopft. Ich wies mein Gedächtnis an, die Rede zu behalten, und zählte die Schiffe, da ich in meinem ganzen Leben noch nie eine solch große Flotte gesehen hatte. Sie bestand aus sage und schreibe einhundertundzehn Schiffen.
    Von irgendwoher tauchte Nikias auf und hielt uns eine Rede. Er erläuterte kurz, was da draußen gerade vor sich ging; er habe so viele Männer wie möglich an

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