Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
Vom Netzwerk:
(die zwar den Witz nicht verstanden, aber verzweifelt über irgend etwas lachen wollten), und der arme Nikias warf mir einen derart haßerfüllten Blick zu, daß ich am liebsten auf der Stelle im Boden versunken wäre. Schließlich gab er es auf, die Truppe aufzumuntern, und man half ihm wieder an die Spitze des Zugs zurück. Jeder Mensch hat so etwas wie einen persönlichen Plagegeist – einen anderen Menschen, der aktiv oder passiv an den schlimmsten Mißgeschicken beteiligt zu sein scheint. Mein böser Geist war immer Aristophanes gewesen, und ich befürchte fast, daß ich für Nikias diese Rolle verkörpert habe.
    Ich erinnere mich nicht daran, wann wir den Feind zum erstenmal erblickten. Wie ich vermutlich schon früher berichtete, waren wir seit unserem Aufbruch aus dem Lager von syrakusischen Reitern beobachtet worden, und ihre Zahl schien ständig zuzunehmen, obwohl niemand wußte, wo sie hergekommen waren. Ich weiß nur noch, wie ich irgendwann einmal aufschaute und vor mich hin murmelte: »Du meine Güte, das ist ja mittlerweile eine ganze Menge! Wo sind die bloß alle hergekommen?« Ich nehme an, Demosthenes hegte ähnliche Gedanken, denn er ordnete unsere Marschkolonne neu, indem er den Troß und die weniger beweglichen Teile des Heers in die Mitte und den Rest von uns in einer Art Karree darumherumstellte. Wenn ich heute darüber nachdenke, war das eine höchst intelligente Aufstellung, nur hätten wir von vornherein nie soviel Ballast mitnehmen sollen. Dabei wurde unsere Marschgeschwindigkeit nicht etwa durch das Mitschleppen von Proviant verringert – trotz Nikias’ ganzem Wirbel über den Wachstafeln besaßen wir nämlich nicht einmal genügend Lebensmittel –, sondern durch solche Dinge wie Unmengen an Pfeilen und Schleuderbolzen für die Bogenschützen und Schleuderer (wobei beide Verbände praktisch nicht mehr existierten), dann Schaufeln, Kellen, Breitbeile und ähnliche für den Mauerbau und andere mit dem Belagerungshandwerk zusammenhängende Arbeiten erforderliche Werkzeuge, Ketten zum Fesseln von Kriegsgefangenen sowie sonstige lebenswichtige Güter wie Kriegsbeute (kein großer Posten) und die persönlichen Habseligkeiten der Gefallenen (ein sehr großer Posten).
    Ich kann mich allerdings gut daran erinnern, daß uns die Syrakuser zwei Tage nach unserem Aufbruch aus dem Lager zum erstenmal angriffen. Mittlerweile hatten wir alle das Marschieren gründlich satt. Wir waren hungrig und müde, die Füße taten uns weh, und viele Männer hatten Fieber und waren an Ruhr erkrankt (in Gesellschaft von Männern zu marschieren, die Ruhr haben, ist als Zeitvertreib nicht unbedingt zu empfehlen). Ich hatte das Glück, bei relativ guter Gesundheit geblieben zu sein, bewies aber leider weniger Kraft und Mut als viele Männer, die wirklich krank waren, bis mich Kyon einmal so beschämte, daß ich mich von da an zusammenriß. Er hatte sehr starkes Fieber, beklagte sich aber nie, und als ich mal wieder stundenlang darüber gejammert hatte, wie durstig ich sei, verließ er wortlos die Kolonne, lief zum Fluß hinüber, der während der meisten Zeit des Marschs zu unserer Rechten lag, und brachte mir im Helm Wasser zurück. Ich trank alles aus und gab ihm den Helm zurück. Da schrie mich auf einmal Kallikrates an und belegte mich mit sämtlichen Schimpfnamen, die ihm gerade einfielen. Kyon sagte ihm, er solle mich in Ruhe lassen, aber Kallikrates hatte von meinem Gehabe eindeutig die Nase voll und wollte mir seine Meinung sagen. Als ich eingesehen hatte, wie selbstsüchtig ich mich verhalten hatte, wollte ich mich natürlich entschuldigen, doch Kyon hörte einfach nicht hin.
    Das alles spielte sich ab, kurz bevor wir den Fluß Anapos erreichten, wo wir von den Syrakusern bereits erwartet wurden. Zuerst waren wir zu Tode erschrocken, aber als wir uns umsahen, konnten wir keine schwerbewaffneten Fußtruppen entdecken, die zu einer Kampflinie zusammengezogen worden waren, sondern nur Scharen leichtbewaffneter Fußsoldaten und ein paar Reiter. Natürlich waren wir alle sehr erleichtert, da jeder Grieche weiß, daß leichtbewaffnete Fußtruppen, die sich aus Männern der unteren Gesellschaftsschichten zusammensetzen, für eine schwerbewaffnete Truppe weit weniger gefährlich ist als ein leichter Regenschauer. Folglich marschierten wir unbekümmert weiter und warteten darauf, daß die Feinde, wie wir uns sicher waren, Reißaus nähmen.
    Das taten sie nicht. Sie wichen nicht von der Stelle, bis wir in Schußweite

Weitere Kostenlose Bücher