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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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waren, und ließen dann einen Pfeil- und Speerhagel auf uns niederprasseln. Nun rechnet man zwar in einem Gefecht mit so etwas, aber es ist ein ungeschriebenes Gesetz, daß das Schießen von Pfeilen und das Werfen von Speeren in erster Linie dem eigenen Interesse des Bogenschützen oder Speerwerfers dient, damit sein Selbstwertgefühl gesteigert wird und er sich vom allgemeinen Vergnügen nicht so ausgeschlossen vorkommt. Auf keinen Fall jedoch sollen diese Geschosse ernsthaft zum Blutvergießen beitragen, und zwar aus dem einleuchtenden Grund, daß ein verirrter Pfeil genauso leicht einen tapferen Mann wie einen Feigling töten kann, und solch ein wahlloses Niedermetzeln ist schlichtweg unmoralisch. Darum hat es sich seit dem großen Lelantischen Krieg zwischen Chalkis und Eretria, in dem die Soldaten zum erstenmal zu Fuß statt von Streitwagen aus kämpften, als unveränderlicher Brauch eingebürgert, daß die leichtbewaffneten Fußtruppen ihre Arbeit so oberflächlich wie möglich verrichten. Im allgemeinen steht zwar keine konkrete Strafe darauf, tatsächlich jemanden zu treffen, aber ein solches Vorgehen wird als schlimmstmögliche Form von Ungeschicklichkeit angesehen und ruft beim Täter normalerweise das Gefühl hervor, sich besonders dumm angestellt zu haben.
    Etwa nach der dritten Salve dämmerte es uns, daß sich unsere Feinde augenscheinlich nicht an die Regeln hielten. In rollendem Einsatz schossen sie und zogen sich wieder zurück und fügten unseren schwerbewaffneten Fußtruppen schlimme Verluste zu. Demosthenes entschied sich daraufhin, rasch Ausfälle zu machen, um die Syrakuser zu verjagen, aber als er das tat, schossen sie einfach weiter. Sie rannten nicht etwa um ihr Leben, wie zuvor erwartet, sondern zogen sich nur so weit geordnet zurück, daß wir nicht mehr an sie herankamen und dadurch nach vom gelockt wurden, bis unsere Linie in Unordnung geriet und fast niemand mehr durch den Schild des jeweiligen Nachbarn geschützt war. Daraufhin stürmten die Syrakuser vor, schickten uns eine erneute Salve entgegen und wiederholten das Ganze von vorn. Unsere Ausfälle ließen sich auf diese Weise nur unter größten Schwierigkeiten durchführen, und Demosthenes stellte sie schließlich ein. Doch hatte das lediglich zur Folge, die Syrakuser darin zu bestätigen, immer näher heranzurücken, bis einige unserer Soldaten endgültig die Geduld verloren und aus der Reihe stürmten, um den Feind direkt anzugreifen; und diese Männer kehrten nie zurück.
    Das kalte Entsetzen, das dieser Vorfall bei uns allen auslöste, kann ich nicht einmal ansatzweise beschreiben. Etwas Derartiges hatten wir noch nie erlebt, zumal wir keinerlei Verteidigungsmöglichkeit sahen. Die Tatsache hinzunehmen und sich damit abzufinden, daß man wahrscheinlich sterben wird, ist eine Sache, aber es ist etwas völlig anderes, schon eine ganze Weile vorher gezeigt zu bekommen, auf welche Art und Weise man umgebracht werden wird – insbesondere wenn es sich dabei um eine sowohl neuartige als auch demütigende Form handelt und man überhaupt nichts dagegen tun kann. Ich glaube, einige von uns hatten als Ausgleich für die Schande, am schlimmsten militärischen Reinfall in der Geschichte der Stadt Athen beteiligt zu sein, auf einen Heldentod im Kampf gebaut, und der Anblick dieser sizilianischen Bauern, die mit Bogen in den Händen wie eine Horde Rotwildjäger vor- und zurückrannten, war mehr, als sie ertragen konnten. In ihrer Hilflosigkeit schrien unsere Männer die Syrakuser an, verfluchten sie und bewarfen sie mit allen möglichen Dingen. Zuerst warfen sie nur mit Steinen – die im allgemeinen ihr Ziel verfehlten –, dann mit Schwertern und schließlich mit Sandalen und Helmen und überhaupt allem, was ihnen in die Hände kam. Die gegnerischen Soldaten bogen sich daraufhin vor Lachen, wodurch alles nur noch schlimmer wurde, und einzelne oder kleine Gruppen von uns führten aus blindem Zorn heraus eine Reihe von selbstmörderischen Attacken durch.
    Dann erblickten wir – es war fast wie eine Art freudige Erlösung – feindliche schwerbewaffnete Fußsoldaten, die sich auf der anderen Seite des Flusses zu einer Kampflinie formierten. Ich glaube nicht, daß sich in der Geschichte des Kriegs jemals ein Heer so gefreut hat, den Feind zu sehen. Auf Demosthenes’ Wangen glitzerten Freudentränen, als er uns den Befehl zum Angreifen gab, und wir schossen durch den Fluß und die feindliche Linie, wie ein Pfeil durch ein Kaninchen fährt.

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