Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
Vom Netzwerk:
sich Nikias (seinem Brief zufolge) keine Hoffnungen machen konnte, noch etwas anderes in Sizilien zu erreichen, verstand ich nur zu gut, daß er die Zeit auf diese ganz bestimmte Weise verbracht hatte.
    Die hinter Nikias’ Brief verborgene Wahrheit war, daß er in hoffnungslosen Schwierigkeiten steckte. Da er wie immer Vorsicht hatte walten lassen und gewissenhaft gewesen war, hatte er den Syrakusern jede Menge Zeit zur Lösung ihrer innenpolitischen Probleme zugestanden (ich glaube, sie brachten ein paar Leute um, wodurch anscheinend alles bereinigt wurde) und es ihnen somit ermöglicht, dem einfallenden Heer eine geschlossene und zielstrebige Kampflinie entgegenzustellen. Überdies hatten sie Hilfszusagen von unseren Feinden in Griechenland erhalten, und die Spartaner schickten ihnen gerade einen Heerführer. Das schlimmste an der ganzen Sache war, daß es viel mehr Syrakuser gab, als man uns weisgemacht hatte, und diese erwiesen sich keineswegs als unfähig, wenn es um die Kunst der Kriegsführung zu Wasser und zu Lande ging. Nikias’ einziger umsichtiger Gefährte, ein tapferer und recht vertrauenswürdiger Mann namens Camachos, war gefallen, und der Heerführer sah nunmehr keine Möglichkeit, seinen Auftrag ohne massives göttliches Eingreifen zu erfüllen – wie zum Beispiel durch eine Seuche oder ein ausgedehntes Erdbeben. Offensichtlich wäre es das vernünftigste gewesen, Schluß zu machen und die Heimreise anzutreten; hätte Nikias das jedoch versucht, wäre er, noch bevor er Zeit gehabt hätte, seinen Helm abzunehmen, wegen eines Kapitalverbrechens vor Gericht gestellt worden. Seine einzige Möglichkeit, noch an der Probe des nächsten Weinjahrgangs teilzunehmen, bestand darin, sich augenblicklich zurückbeordern zu lassen; dann hätte er (bei seinem Prozeß) wenigstens behaupten können, er habe gerade vorgehabt, die Türme von Syrakus in Grund und Boden zu stampfen, als die Paralia mit seinem Abberufungsbefehl am Strand gelandet sei.
    Da er nun einmal Nikias war, versuchte er es mit der Taktik, die er das erstemal in der Volksversammlung angewandt hatte und die auf so verhängnisvolle Weise fehlgeschlagen war: Er bat, den Athenern mitzuteilen, daß er zur Ausführung des Auftrags, mit dem man ihn ausgesandt hatte, doppelt so viele Schiffe und doppelt so viele Männer sowie jedes Vier-Drachmen-Stück aus Attika und dem ganzen Reich benötige, außerdem einen oder zwei Gefährten zu seiner Unterstützung beim Oberbefehl. Des weiteren erkundigte er sich danach, ob er jetzt bitte nach Hause kommen dürfe, da es ihm sein Nierenleiden unmöglich mache, seine Mission anständig zu erfüllen. Ihm war klar, daß Athen, wenn man ihm die erbetenen Streitkräfte schicken würde, von Männern leergefegt wäre, fast keinen größeren Schiffstyp als ein Hummerfangboot mehr hätte und bankrott wäre; aber wenn die Athener Sizilien haben wollten, dann war das eben der Preis, den man dafür zu bezahlen hatte.
    Oh, meine geliebte Stadt! Du hast der Verlesung von Nikias’ Brief zugehört, du hast ein paar Reden gehalten, du hast einige gescheite Phrasen gedroschen, und du hast Nikias alles geschickt, worum er gebeten hatte, nur nicht seine Abberufung. Ich glaube, erst in dem Augenblick ist mir das wahre Ausmaß deiner Macht, deines Reichtums und deines Potentials an Schiffen und Männern sowie das Ausmaß deiner unvergänglichen Dummheit klargeworden. Eine Expedition wie die erste Flotte auf die Beine zu stellen, überstiege heutzutage die Möglichkeiten sämtlicher Städte oder Städtebünde; doch eine Flotte aufzustellen und zu bemannen, die sogar noch größer war, und sie auf einen einzigen Brief von einem Schwachkopf hin auszusenden – das war ein Akt von solch über alles erhabener Dummheit, daß man dir deshalb niemals einen Vorwurf machen kann. Das übertrifft selbst den Irrsinn der Perser. Und um diesen Krieg gründlich zu führen, bis zum Tod, bis zum letzten Blutstropfen, hast du den glänzenden Demosthenes berufen, deinen fähigsten Heerführer, und hast Eupolis ausgesandt, Sohn des Euchoros, aus dem Demos von Pallene – gemeinsam mit ungefähr fünftausend anderen –, um ihm zum Erfolg zu verhelfen.
     
    »Um Himmels willen, Frau! Jetzt hör endlich mit diesem Theater auf!« ermahnte ich Phaidra, während ich die Vorbereitungen für meinen Aufbruch nach Piräus traf. »Und mach dir bitte keine Sorgen. Wir werden wieder zurück sein, bevor du überhaupt mitbekommen hast, daß wir fortgegangen

Weitere Kostenlose Bücher