Wallenstein (German Edition)
mußte ihre Hilfe annehmen.
Er sagte, wer von den Herren noch etwas hinzusetzen wolle, möge sprechen. Er ging auf und ab, um eine grüne Marmorsäule. Als er sie mit der schlaffen Hand berührte, sah er in der blanken Fläche sein langes, hochgezogenes Spiegelbild. Er erschrak, das Bild taumelte seitlich herunter, er ging weiter.
Eggenberg erklärte, Rat und Kammer würden unverzüglich das Nötige zur Übertragung der Kur an Bayern bereitstellen. In Verwirrung, zermahlen und zerfasert, konnte Ferdinand nur lächeln. Er reichte jedem die Hand. Sie wußten angesichts seines zerstreuten Gebarens nicht, ob sie entlassen waren.
Bis er aufblickte und ihnen zunickte, die Arme über die Brust verschränkend.
WAS FERDINAND tags drauf nach langem Sinnieren und Seufzen begann, war ein überstürztes Briefschreiben und Kuriersenden nach der Stadt, deren Namen vor seinen Augen brannte. Hatte er einen Brief beendet und verschlossen, so war er für Stunden ruhig, in denen er sich labte, um die Auseinandersetzung wieder zu beginnen. Es mußte leise alles vor sich gehen, weder Obersthofmeister noch Beichtvater noch Geheime Räte durften etwas erfahren, geräuschlos rasch ohne Pausen sollte alles hinter ihrem Rücken vollendet werden. Er trug eine kleine Schreibtafel am Gürtel, die er nicht einmal seinem Leibkammerdiener abtrat; und während der Tafel ereignete es sich bisweilen, daß er in tiefer Umwölkung Notizen aufmalte. Seine Stimmung war heiterer als vorher, aber leicht erregt und gespannt. Wie viele Briefe er an Digby schrieb, allmählich, von Tag und Nacht zu Tag, wußte er nicht. Es war ein Schwall, während er glaubte, eben begonnen zu haben. Zuerst war es Digby, der Graf von Bristol, ein vor kurzem neu eingetroffener britischer Sondergesandter, mit einem rauhen Wesen, blutrotem Gesicht, häßlichen aufdringlichen Blicken, einer Ischias, dem er schrieb. Bald setzte er sich mit einem andern auseinander, der für ihn in München im geheimen wirkte, sein eigner vertrauter Sondergesandter, sein intimer, unausgesprochen ihm anheimgegebener Freund, sein Glückswunder. Von Tag zu Tag war diesem mehr zu sagen. Er mußte die Briten aufklären und doch nicht aufklären, ein Brief sagte zu viel, einer zu wenig. In München mußte Digby gehört haben, was geschehen war; aber es war nicht so geschehen, er hatte mit ihm kein Doppelspiel getrieben, indem er ihn zur Vermittlung ermutigte, und doch war alles schon gebunden und nicht mehr auflösbar und neu zu knüpfen. Er mußte ihm zu verstehen geben, zwischen den Zeilen, daß es ganz anders war, daß er sich nicht gebunden hatte, sondern daß er einmal gefesselt worden war, in einem verwirrten betäubten Augenblick, in dem er nicht rechnen konnte oder wie es sonst gewesen war. Daß er damals sonderbar eingeschüchtert worden war vom Bayern, nachgab, seine junge Kaiserwürde schon verloren glaubte, sich aus Scham nicht hatte offenbaren können. Das mußte schmeichelnd in halber Abbitte zwischen den Zeilen geseufzt werden. Und gebeten werden um Befreiung – jedoch nicht zu deutlich, denn man war Römische Majestät und jener Brite, und ein Ungläubiger. Mit Politik mußte alles versteckt und maskiert werden; welches lebhafte Interesse mußte nicht England haben, den Bayern zum Nachgeben zu zwingen, um des pfälzischen Kurfürsten, des englischen Schwiegersohnes und seiner Kinder willen; ja Ferdinand ging so weit, durchscheinen zu lassen, daß er appellieren möchte an das Interesse Englands, eine starke protestantische Partei auf dem Festlande zu haben; schmerzlich und grausam weh tat ihm diese Bemerkung. Er hielt diesen Brief, vor dem er sich selbst entsetzte, lange zurück, trug ihn bei sich, mußte ihn von sich reißen, um ihn seinem alten Frey in die Hand zu drücken. Jeder Brief erklärte neu, kühner. Und er erwartete keine Antwort, dachte nie daran, was Digby meinen würde, glaubte jahrelang mit ihm umgegangen zu sein.
Eggenberg, dessen Haus durch einen Geheimgang mit der Burg verbunden war, staunte, als der Kaiser öfter unversehens mit geröteten Wangen freudig und müde bei ihm erschien, gedankenlos plauderte, sich an sein Bett setzte, eine große Zärtlichkeit gegen ihn und andre an den Tag legte, daß er Gnadengeschenke verteilte, ohne sich um Gurlands Bedenken zu kümmern; er beschenkte Gurland selbst noch.
Die Briefe aber liefen alle durch die Hände des feinen gewissenhaften und automatischen Gelehrten Kaspar Frey. Dieser hatte keine Neigung, sich zu lebhaft in die
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