Wallentin, Jan
würdigen.
»Yes
hello«, entgegnete Don. »Ich heiße Don ... Malraux. Ich würde gerne ...«
Das
Mädchen schüttelte irritiert den Kopf und schob einen Notizblock mit
festgeklemmtem Bleistift über den Tisch.
»Spell
please«, murmelte sie.
Don
bemühte sich um ein Lächeln, doch das Mädchen war bereits wieder in seine
Lektüre vertieft. Er schrieb den Nachnamen MALRAUX in deutlichen
Druckbuchstaben. Als sich das Mädchen endlich die Zeit nahm nachzuschauen, was
Don geschrieben hatte, seufzte sie laut hörbar.
»Mein Gott
... Vorname. Geburtsort. Jahr.«
»Sie hieß
Camille«, sagte Don schnell, solange das Mädchen seine Aufmerksamkeit noch auf
ihn richtete. »Meine Schwester und ich vermuten, dass es sich um eine Verwandte
handelt.«
»Ihre
Schwester?«, fragte das Mädchen skeptisch und betrachtete abwechselnd die
blonde Frau hinter Don und sein mit dunklen Haaren eingerahmtes Gesicht.
»Unsere
Familie besitzt wallonische Wurzeln.«
»Und in
welcher Beziehung stehen Sie zu dieser Camille?«
»Das ist
eine ...«
»Sind Sie
ihr Enkelkind? Cousin dritten Grades?«
»Ich
fürchte, das ist eine lange Geschichte. Ist es wichtig?«
»Nee,
nee«, murmelte das Mädchen. »Mir soll's egal sein. Diese Camille, ist sie hier
in der Region Westhoek geboren?«
»Ja ...«
»Ja, wir
nehmen es an«, sagte Eva, die sich jetzt mit einem entschlossenen
Gesichtsausdruck neben Don setzte. »Aha«, meinte das Mädchen. »Und wann?« Don
schielte zu Eva hinüber.
»Ende des
neunzehnten Jahrhunderts wohl«, antwortete er.
Das
Mädchen entwickelte ein plötzliches Interesse für ihre Fingernägel und
betrachtete sie eingehend.
»Sie
können zwischen den Jahren 1870 und 1895 suchen«, bat Eva.
»1870 bis
95«, wiederholte das Mädchen. »In der Stadt Ieper oder in einem der umliegenden
Orte?«
»Wir ...«,
begann Don, wurde jedoch von einer lethargischen Litanei unterbrochen:
»Boezinge,
Brielen, Dikkebus ... Elverdinge vielleicht? Hollebeke, Sint-Jan ...
Zillebeke?«
»Wir ...«
»Zillebeke
also«, entschied das Mädchen.
»Wir
glauben zu wissen, dass diese Camille Malraux in Ieper starb«, sagte Eva. »1913
lebte sie noch, das wissen wir sicher. Vielleicht starb sie im Krieg.«
Das
Mädchen beugte sich unwillig über ihre mit Plastik überzogene Tastatur und
öffnete die Seite des Einwohnermeldeamts von Ieper auf dem Bildschirm. Gab dann
mit einem Zeigefinger den Suchnamen »Camille Malraux« ein.
»Aha«,
sagte sie, ohne sich ihnen zuzuwenden. »Es gibt in der Tat zwei Personen mit
diesem Namen, die während des Krieges gestorben sind. Eine ist 1885 in
Voormezele geboren, ihre Eltern hießen ...«
»Und die
andere?«, fragte Eva.
»Bei der
anderen sind weder Angaben zum Namen der Eltern noch zum Geburtsort vorhanden.
Französische Staatsbürgerschaft. Hier steht, dass sie 191 7 in Ieper
gestorben ist.«
»Und was
steht da noch?«, fragte Eva ungeduldig.
Das
Mädchen seufzte noch geräuschvoller, nahm das Kaugummi aus dem Mund und warf es
in den Papierkorb.
»Das ist
alles. Nicht jede Information wird in den Computer eingegeben. Tut mir leid.
Wenn Sie mehr haben wollten, müsste ich ins Archiv hinuntergehen, um ihre Mappe
herauszusuchen. Aber es ist selten die Mühe wert.«
»Ich
bestehe darauf«, sagte Eva kurz.
Mit einem
Stöhnen erhob sich das hagere Mädchen von seinem angestammten Platz vor der
Tastatur. Dann sperrte sie den Computer, indem sie zwei Tasten betätigte, und
schlenderte betont langsam zwischen den Regalen von dannen.
Als sie
nach einer guten halben Stunde zurückkehrte, hatte sie zwei dünne
Dokumentenmappen bei sich. Sie warf sie vor Eva und Don auf den Tisch und
wandte sich dann wieder ihrem Buch zu.
In der
ersten Mappe fanden sie lediglich ein paar kurz gefasste Angaben. Eine Frau mit
dem Namen Camille Malraux, 1885 geboren unter dem Namen Holst, hatte 1905 in
der Onze-Lieve-Vrouwekerk, der Liebfrauenkirche in Voormezele einen Ronald
Malraux geheiratet. Es existierten keine Angaben darüber, wo diese Camille
beschäftigt gewesen war oder ob sie Kinder oder Geschwister gehabt hatte.
Lediglich eine Krankenakte, eine Sterbeurkunde und ein kurzer Vermerk, dass
ihr Mann schon 1907 gestorben war.
»Und,
war's die Mühe wert?«, fragte das Mädchen nuschelnd hinter ihren Buchseiten.
In der
Mappe der nächsten Camille Malraux lagen nur zwei Papierbögen. Die
Sterbeurkunde sowie ein Hinweis, dass sämtliche übrigen Dokumente an den
französischen Geburtsort der Frau weitergeleitet
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