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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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erstbesten Geschäft einen schwarzgemusterten Anzug vom Bügel genommen
und sich bereits in der Umkleidekabine umgezogen.
    Das alte
Manchesterjackett mit der Postkarte im Innenfutter baumelte nun in einer gelben
Plastiktüte an seinem Handgelenk, während Don aufs Äußerste bemüht war, nicht
die Geduld zu verlieren. Es stellte sich heraus, dass die Rechtsanwältin im
Hinblick auf ihre Kleiderwahl ziemlich genaue Vorstellungen hatte und keine
Einwände tolerierte. Erst in einer Seitenstraße weit entfernt von der
Haupteinkaufsstraße Rijselsestraat fand sie schließlich eine Boutique, die ihr
konservativ genug war.
    Da sich
dort drinnen eine Ansammlung älterer Damen durch die Kleiderstapel wühlten,
stellte Don sich draußen vor den Laden und wartete, bis er Eva hinter der
Schaufensterscheibe winken sah.
    An der
Kasse lagen bereits die von ihr ausgewählten Kleidungsstücke. Die
Rechtsanwältin schien eine Art 40er Jahre-Stil zu bevorzugen: weite Hosen mit
Bügelfalte, eine weiße Satinbluse und einen moosgrünen Trenchcoat mit
Seidenschal.
    Das
schmutzige Kostüm lag ebenfalls zusammengeknüllt auf dem Tresen, während Eva
der Verkäuferin auf Französisch erklärte, dass sie die alten Lumpen gerne
verbrennen könnte. Die Verkäuferin antwortete schnippisch, dass man in Y per sowie im
übrigen Westflandern kein Französisch spräche,
und es besser wäre, es auf Englisch oder noch besser auf Flämisch zu
versuchen, wenn man eine Antwort erhalten wollte. Dann verschwanden ein
Hüfthalter und ein Paar lachsrote Seidenstrümpfe in einem kleinen Päckchen, das
die Verkäuferin über den Tresen reichte, während die Kasse ratternd aufsprang.
    Nur wenige
Türen weiter fand die Rechtsanwältin erfreulicherweise ein Schuhgeschäft, das
ihren Ansprüchen genügte. Und nachdem Don ein Paar hohe blanke Stiefel aus
italienischem Leder mit Hex' Euroscheinen bezahlt hatte, war Eva endlich
zufrieden.
     
    Sie spazierten
langsam zurück über den Grote Markt und setzten sich in den Schatten unter die
Markise des Hotelrestaurants.
    Das
kontinentale Frühstücksbüffet war noch gedeckt. Da es jedoch bereits kurz vor
elf Uhr war, entschied Eva, dass sie eher ein frühes Mittagessen einnehmen
würde. Sie bestellte einen Teller mit Schalentieren und ein Glas Chardonnay von
der Domaine Saint Martin de la Garrigue im Languedoc.
    Don
probierte ein Croissant, das nach eingetrockneter Schokolade schmeckte und
sofort in einen Haufen trockener Krümel zerfiel. Dann bestellte er einen
zweiten Kaffee und gab bis auf weiteres jegliche Gedanken ans Essen auf.
     
    Zwischen
ihnen auf dem Restauranttisch lag eine bunte Touristenbroschüre, die sich Don
an der Rezeption des Hotels gegriffen hatte.
    Auf
der Vorderseite stand leper - city of peace
     
    Und auf
den Mittelseiten der Broschüre befand sich ein Stadtplan der Innenstadt.
    Als Don
über den Platz schaute und die Busladungen mit Touristen in Richtung
Tuchhallen und zu den Kriegsmonumenten strömen sah, fiel ihm auf, dass Eva und
er vermutlich wie ein Paar in den mittleren Jahren aussahen, das eher auf der
Flucht vor einer Gruppenreise war. Aber da sie ohnehin vorhatten, so anonym wie
möglich zu reisen, dürfte das weiter kein Problem darstellen.
    »A
more sacred place for the British race does not exist in the world«, las Don
aus der Touristenbroschüre vor, um die Illusion zu vervollkommnen.
    Eva
schaute von ihren Schalentieren auf und wischte sich mit der Serviette den Mund
ab.
    »Das hat
Sir Winston Churchill über Ypres gesagt.«
    Er zeigte
auf das Zitat, das in großen Lettern über einem Gräberfeld mit weißen Kreuzen
prangte.
    »Ieper«, korrigierte
Eva. »Das hat Churchill über leper gesagt.«
    »Ypres
heißt die Stadt auf Französisch, und so wurde sie von den Franzosen und
Engländern während des Ersten Weltkriegs genannt«, berichtigte Don. »Und die
Kathedrale hier ...«
    Er
blätterte zurück zum Stadtplan in der Mitte der Broschüre und deutete auf ein
kleines Farbbild.
    »Wenn ich
es richtig verstehe, heißt sie auf Französisch Saint Martin d'Ypres.«
    »Und
diejenigen, die hier wohnen, nennen sie ganz sicher Sint Maarten«, entgegnete
Eva trocken. »Aber wenn Sie vorhaben, auf Sightseeingtour zu gehen, ist das
meiner Meinung nach eher keine gute Idee. Wir sollten davon ausgehen, dass die
belgische Polizei inzwischen Zugang zu unseren Passbildern hat.«
    Als sie
sah, dass Don zögerte, fuhr Eva fort:
    »Einer der
Teilhaber bei Afzelius deutete jedenfalls an, dass die

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