Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
Vom Netzwerk:
gesamten Nachmittag und Abend lang
waren alle Redaktionen gezwungen, den Dalakurir und das kurze Interview des
Praktikanten zu zitieren. Der stellvertretende Chefredakteur hatte zur Feier
des Tages einen Korb mit Zimtschnecken auf den Tisch des Nachrichtenchefs
gestellt.
     
    Als das
Einsatzkommando in schwarzen Combat Uniformen eintraf, veränderte sich das
Bild. Der Einsatzleiter aus Falun musste sich vom Schacht entfernen, es wurden
neue Absperrungen gezogen, und entlang der Kante des Grubenlochs wurde ein
schwerer Sichtschutz aus verstärktem Plexiglas im vertrockneten Gras
aufgebaut. Die Taucher aus Stockholm kontrollierten ihre Sauerstoffflaschen,
und Fernsehkameras konnten einfangen, wie durchtrainierte Männer in Gummi- und
Neoprenanzüge schlüpften.
    Die
Polizisten aus Falun standen mit verschränkten Armen wie Zuschauer da, als sich
das erste Paar Taucher in die Grube abseilte. Und als sie wieder hochkamen,
reagierten die Faluner nicht schnell genug, so dass ihnen der Leiter des
Einsatzkommandos, dem es geglückt war, eine rasch anberaumte improvisierte
Pressekonferenz zu arrangieren, zuvorkam.
    Die
Journalisten versammelten sich im Licht der Scheinwerfer um ihn herum. Der freiberufliche
Fotograf hielt die Kamera mit ausgestrecktem Arm vor sich, neigte sie etwas
nach unten und machte ein Foto von einem Mann mit kurzem Stoppelhaar, faltigem
Gesicht und autoritärem Auftreten.
    »Also,
hören Sie gut zu. Lassen Sie uns etwas Klarheit in das Ganze bringen«, begann
der Einsatzleiter. »Wenn wir es richtig verstanden haben, ist bereits ein Teil
von euch Medienleuten mit Informationen an die Öffentlichkeit gegangen, bevor
ihr überhaupt wusstet, worum es hier geht.«
    »Sollen
wir etwa erst um Erlaubnis bitten, oder was?«, hörte man einen Reporter des
staatlichen Fernsehens ausrufen, der aus der Meldung des Dalakurir um sechs,
halb acht und um neun Uhr Direktsendungen produziert hatte.
    Ein
Journalist von der großen Abendzeitung war ebenfalls verärgert:
    »Worum es
hier geht? Wie, worum es hier geht? Es geht um eine Frau, die ziemlich weit
unten in einem Bergwerksschacht ermordet wurde, und das ist auch das Einzige,
was wir berichtet haben. So hat es derjenige, der sie gefunden hat, doch gesagt.«
    »Also dann
...«., erwiderte der Einsatzleiter. »Ich weiß zwar nicht, wie Sie an diese
Informationen gelangt sind. Aber lassen Sie uns ganz vorne anfangen. Zum
Ersten, dort unten im Schacht wurde keine Frau gefunden.«
    Die
Journalisten reckten die Hälse. »Keine Frau also, sondern ein Mann.«
    Der
Praktikant spürte, wie ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief. Dann
begann er selber zu protestieren:
    »Aber es
war doch eine Frau! So hat er es doch gesagt, der Typ, der sie gefunden hat!«
    »Ich weiß
ja nicht, mit wem Sie gesprochen haben«, entgegnete der
Einsatzleiter trocken, »aber bei der Leiche da unten handelt es sich um einen
Mann. Und dieser Mann ist bereits seit mehreren Tagen tot, vielleicht auch
länger, vielleicht sogar sehr viel länger.
Wir gehen folgendermaßen vor: Bevor unsere Taucher die Leiche hochholen, wird
sie professionell verpackt, so dass wir technische Spuren sichern können. Und
vergessen Sie nicht, dass keiner von uns weiß, aus
welchen Gründen dieser Mann starb. Nach Auskunft unserer Taucher
gibt es nichts, was eindeutig darauf hinweist, dass es sich um einen Mord
handelt.«
    »Gibt es
denn etwas, das dagegen spricht?«, versuchte es der Praktikant.
    Die
Kiefermuskeln des Einsatzleiters spannten sich an, und es sah aus, als hätte er
vor, zu antworten. Doch dann beendete er stattdessen seine Ausführungen mit den
Worten:
    »Das war
alles, danke, und in Zukunft bitte ich Sie darum, sich an die Fakten zu halten.
Wir werden unsere Absperrung aus Rücksichtnahme auf eventuelle Angehörige nun
auf einen Radius von ungefähr zweihundert Metern ausweiten. Sie können also
Ihre Gerätschaften zusammenpacken.«
     
    Trotz
aller Abschirmungsmaßnahmen zeigten am nächsten Morgen beide Abendzeitungen
des Landes das Bild: eine Männerleiche, die aus einem
Bergwerksschacht gehoben wurde und bis zum Kinn in einen Bodybag des
Einsatzkommandos gehüllt war.
    Sein
langes Haar rahmte ein blutleeres Gesicht ein, und das Blitzlicht der Kameras
ließ die weiß durchsetzten Strähnen in einem strahlenden Kranz aufleuchten, der
wie eine Glorie wirkte.
    Doch das
Detail, welches die Zeitungskäufer am deutlichsten in Erinnerung behalten
würden, war vermutlich das tiefe Loch, das unmittelbar

Weitere Kostenlose Bücher