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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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schlafen als im Erdgeschoss, denn während der Nächte
konnte Bube keine Ruhe finden.
    Im
Schlafzimmer oberhalb der Treppe hatte er Nacht für Nacht ihrem monotonen
Ritual gelauscht. Zuerst die knarrenden Schritte auf dem Parkett und dann der
schwere Seufzer, der offenbarte, dass sie auf das Manchestersofa niedergesunken
war. Dort pflegte sie eine Weile zu sitzen, und er wusste, dass sie sich nach
vorne beugte und ihre Finger entlang der Narben und Vertiefungen ihrer Haut
gleiten ließ. Dann das Geräusch, wenn sie wieder aufstand, und schließlich noch
eine Runde, ein weiterer Seufzer und das Quietschen der Federn, wenn das Sofa
sie für die nächste Ruhepause in Empfang nahm.
    So ging es
immer weiter, bis sich ein Rhythmus bildete, der ihn jede Nacht in den Schlaf
wiegte.
     
    Sie war im
Juli 1942 nach Ravensbrück deportiert worden, wo die medizinischen Experimente
unmittelbar einsetzten.
    Die
SS-Ärzte hatten den bakterienabtötenden Effekt von Sulfonamid bei schweren
Infektionen nach Schussverletzungen untersuchen wollen. Man hatte erklärt,
dass die Versuche der deutschen Wehrmacht dienlich sein würden und aus diesem
Grund möglichst wirklichkeitsgetreu durchgeführt werden mussten. Die ersten Versuchskaninchen
waren fünfzehn Lagerinsassen gewesen, allesamt Männer.
    Die Ärzte
hatten ihre Wadenmuskeln von der Ferse bis hinauf zur Kniekehle aufgeschnitten.
Dann hatten sie eine Lösung mit Bakterien in die Oberfläche der Wunden
einmassiert, um eine mittelschwere Infektion auszulösen. Die Bakterien waren
vom Hygiene-Institut der Waffen-SS gezüchtet
worden. Der Hintergrund für die Idee, lediglich die Unterschenkel der Männer
aufzuschneiden, war die Aussicht darauf, auf Höhe der Kniekehle amputieren zu
können, wenn der Wundbrand anfing sich auszubreiten. Die offenen Wunden wurden
also mit Sulfonamidpulver eingepudert und dann wieder zugenäht.
    Neugierig
hatten die SS-Ärzte gewartet, was geschehen würde, doch man musste bald
feststellen, dass die Wunden allzu schnell verheilten. Das Ganze erinnerte in
keiner Weise an die Szenarien, die sich an der Front abspielten, was zu der
Schlussfolgerung führte, dass man sich nicht hinreichend vorbereitet hatte.
    Also wurde
eine neue Versuchsgruppe gebildet, dieses Mal mit ungefähr sechzig Frauen. Alle
waren jung, unter dreißig, und eine der Auserwählten war Dons Großmutter, seine
Bube. Die Ärzte des Konzentrationslagers hatten ihre Waden mit tiefen Schnitten
versehen, von den Achillessehnen bis hinauf zu den Kniekehlen. Um das Ganze
mehr nach einem Kriegsschaden aussehen zu lassen, hatte man nicht nur anaerobe
Bakterien in die Wunde massiert, sondern auch Glasscherben, Erde und Hobelspäne
hineingedrückt. Bubes Beine waren daraufhin unmittelbar angeschwollen und füllten
sich mit Eiter; sie lag in Fieberträumen, aus denen sie nicht einmal die
Schreie der anderen Frauen wecken konnten. Doch dann wirkte das Sulfonamid, und
nach ein paar Tagen war es offensichtlich, dass keine der Frauen an ihren
Infektionen sterben würde. Das Experiment war also immer noch nicht naturgetreu
genug.
    Die
Oberärzte Oberheuser und Fischer waren daraufhin zu einer Wochenendkonferenz
nach Berlin gereist, wo man die missglückten Versuche mit einigen Kollegen
diskutierte.
    Die
deutschen Ärzte waren sich schnell einig, dass Bakterien, Glasscherben, Erde
und Hobelspäne allein nicht ausreichen würden. Man musste außerdem den
Blutkreislauf unterbrechen. Man hatte herausgefunden, dass bei echten Schussverletzungen
immer mehrere der wichtigsten Blutgefäße verletzt werden. Doch als man die
Beine in dieser kontrollierten Art und Weise aufgeschnitten hatte, konnte das
Blut weiterhin zirkulieren, ein Faktum, das den Wundbrand offenbar daran
hinderte, tödliche Wirkung zu entfalten.
    Der erste
Vorschlag lautete demnach, den Frauen ganz einfach mit Maschinengewehren in die
Beine zu schießen. Dann würde das Experiment zumindest nicht an Realitätsmangel
leiden. Doch nach gewissen Abwägungen hatte man diese Alternative als weniger
erfolgversprechend bezeichnet. Die Schussverletzungen der Frauen würden sich
vermutlich individuell unterscheiden und aus diesem Grund wissenschaftlich
nicht vergleichbar sein.
    Stattdessen
war jemand darauf gekommen, den Frauen Gummibänder um die Fußgelenke und
Kniekehlen zu binden, nachdem man die Waden aufgeschnitten hatte. Auf diese
Weise würde man die Blutzufuhr der zerschnittenen Wadenmuskeln unterbrechen und
somit die Voraussetzungen für einen

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