Wallentin, Jan
nicht.
Als man
begann, die Burg zu nutzen, wurde sie zum Zentrum für die zwei Lieblingsthemen
der SS-Führer. Es handelte sich um die historische Forschung des Ahnenerbe und
RuSHA, das Rasse- und Siedlungshauptamt der Schutzstaffel.
Die
Aufgabe des Ahnenerbe bestand darin, so viele Beweise wie möglich für eine
gewichtige germanische Vergangenheit zu erbringen.
Die erste
Reise der Forscher führte nach Backa im schwedischen Bohuslän, wo sie annahmen,
ein arisches Alphabet in den Felszeichnungen im Granitstein zu erkennen. Dass
sie danach auf Figuren stießen, die wie Hakenkreuze geformt waren, machte den
Fund noch sensationeller.
Auf den
Kanarischen Inseln fanden sie prompt Reste des Inselreichs, das einmal
Atlantis gewesen war, die Urheimat der arischen Zivilisation. In Tibet und im
Himalaya suchten die Forscher nach Spuren der arischen Völkerwanderung von
Atlantis bis hin ins alte Indien.
Island
wurde als dermaßen interessant und gut erhalten eingestuft, dass dorthin die
aufwendigste aller Expeditionen führte. Doch die Isländer ließen die deutschen
Wissenschaftler nicht ins Land, weil man ihre Forschung als unseriös
betrachtete.
Heinrich
Himmler war persönlich in die Arbeit des Ahnenerbe eingebunden, insbesondere
was die Kampfkunst des arischen Volkes betraf. Unter anderem war er an Mjölner,
der magischen Waffe des Gottes Thor, interessiert und befahl deswegen in seinem
bürokratischen Stil:
»Lassen
Sie doch einmal nachforschen, wo überall in der nordgermanischen arischen
Kulturwelt der Begriff des Blitzstrahles, des Donnerkeils, des Thorhammers
oder des fliegenden oder geworfenen Hammers auftritt, weiter, wo bei Skulpturen
der Gott mit einem kleinen Faustkeil in der Hand, aus dem Blitze hervorzucken,
abgebildet ist.
Alle
derartigen bildlichen, skulptürlichen, schriftlichen und sagenmäßigen
Anhaltspunkte bitte ich zu sammeln. Ich habe nämlich die Überzeugung, daß es
sich hier nicht um den natürlichen Donner und Blitz handelt, sondern daß es
sich hier um ein früheres hoch entwickeltes Kriegswerkzeug unserer Vorfahren,
das selbstverständlich nur im Besitz weniger, nämlich der Asen, der Götter, war
und das eine unerhörte Kenntnis der Elektrizität voraussetzte, handelt.«
Als der
weitere Verlauf des Krieges sich negativ abzeichnete, wurde Himmler gezwungen,
die Tätigkeit des Ahnenerbe einzuschränken. Der Führer vertrat die Meinung,
dass man die Geldressourcen des Reichs nun für die wirklich wichtigen
Institutionen einsetzen sollte. Himmler tröstete sich damit, dass zumindest
RuSHA, das Rasse- und Siedlungshauptamt berücksichtigt wurde.
Doch die
Forschung im Hinblick auf die Rassenfrage stagnierte zu diesem Zeitpunkt. Die
Invasion der Sowjetunion hatte allen Theorien ein Ende gesetzt.
In dem gut
organisierten Rassenregister gab es nicht genügend Platz für diese Myriaden von
neuen Namen. Wer hatte denn jemals von den Tschuwaschen, den Mordwinen oder den
Tüngusischen Völkern gehört? Und wer wusste, welches von diesen Völkern Juden
waren? Vielleicht waren sie allesamt Arier? Die deutschen Beamten hatten keine
Antwort darauf parat.
Die Frage
verkomplizierte sich außerdem dadurch, dass man wissenschaftlich nicht zwischen
den Juden aus dem eigenen Land und denen, die als Arier angesehen wurden,
unterscheiden konnte. Eine Studie mit unerwartetem Ausgang hatte gezeigt, dass
zum Beispiel jeder zehnte Jude in Deutschland arische Merkmale wie blaue Augen
oder helles Haar aufwies.
Man musste
einsehen, dass lediglich eine geringe Anzahl von Menschen der Beschreibung des
im Formblatt als wahren Jüdischen bezeichneten entsprach:
kleingewachsen
geduckter Gang flache Brust gekrümmter Rücken schwache Muskeln fleischige Ohren
krumme Nase gelbliche Haut sowie eine ihnen innewohnende Neigung zu:
Schizophrenie,
manisch-depressiven Erkrankungen und Morphinabhängigkeit
Da jedoch
die Auswahl ausgehend von obigen Kriterien so gering war, suchte man
verzweifelt nach besser erfassbaren Unterschieden.
Die
deutschen Beamten untersuchten Schädelnähte, Wadenmuskeln, Herzrhythmus,
Fingerabdrücke und Blutgruppen - fanden jedoch überhaupt keine Unterschiede.
Verzweifelt ging man dazu über, den Körpergeruch und das Ohrenschmalz der Juden
zu untersuchen, doch wie man es auch drehte und wendete, das Ergebnis blieb
immer ein dürftiges.
Daraufhin
kam man auf die Idee, eine spezielle Referenzsammlung anzulegen, die
ausschließlich aus jüdischen Skeletten bestand.
Die
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