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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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nachhaltig
von den Bomben der Alliierten zerstört worden waren. Sie befanden sich in einer
Region, in der man bäuerliche Traditionen und Folklore schätzte, und ein Teil
der niedrigen Häuser sah aus, als entstammten sie einem Märchen der Gebrüder
Grimm.
    Neben
einer pistaziengrünen Volksbankfiliale, die sich zwischen all den roten
Steinhäusern sonderbar ausnahm, hielt der Taxifahrer an, um nach dem Weg zu
fragen. Eine vollschlanke Dame im Herbstmantel schaute mit rosigen Wangen
durchs Fenster und wies nach links, links, rechts und dann geradeaus. Der
Fahrer versuchte die Gebärden der drallen Hand zu deuten, schüttelte dann
jedoch den Kopf und ließ, ohne sich zu bedanken zügig die Scheibe wieder
hochfahren.
     
    Eigentlich
war es nicht besonders schwer zu finden.
    Der Alte
Hof erwies sich als ein Restaurant mit rustikalen Tischen draußen auf dem
Wewelsburger Rathausplatz, auf dem eine extrem hohe Bankfassade jegliche
Aussicht dominierte. Hinter dem Dach des Bankgebäudes konnte Don den
abgeflachten oberen Teil des abartigen Nordturms auf dem Kalkfelsen erkennen.
    Entlang
der Butzenscheiben wand sich Efeu, und im Außenbereich des Restaurants war
kaum die Hälfte aller Tische besetzt. Die kleine Gruppe junger Männer mit
Militärjacken und kahlrasierten Schädeln fiel ihm sofort ins Auge.
    Sie sahen
nicht aus wie typische Neonazis, dachte Don, als das Taxi auf den Platz einbog.
In ihren Ohren steckten Stöpsel, und einer von ihnen hielt etwas Schwarzes in
der Hand, das entweder eine Waffe oder eine Art Funkgerät sein konnte.
    Es schien,
als erwartete man seine Ankunft bereits, denn jetzt standen zwei der Männer
auf. Einer von ihnen hatte einen länglich geformten Schädel, während der andere
den massigen Körperbau eines Ringers besaß. Doch so intensiv er auch über den
weitläufigen Rathausplatz spähte, die Rechtsanwältin Eva Strand konnte er
nirgends ausmachen.
     
    Der
Taxifahrer zog die Handbremse an und drehte sich um. Er hatte mitten auf dem
Platz geparkt, auf Dons Anweisung hin ein Stück vom Restaurant entfernt.
    »Starten
Sie den Motor wieder«, murmelte Don unverzüglich. »Von jetzt an lassen Sie den
Motor bitte laufen.«
    Der
Taxifahrer verdrehte die Augen und steckte den Zündschlüssel wieder ins
Schloss.
    »Ich werde
das hier übergeben«, erklärte Don und nickte in Richtung des Kartons auf
seinen Knien. »Sobald meine Freundin die Wagentür hinter sich zugezogen hat,
sind Sie schon wieder unterwegs. Und dann fahren Sie nach Mechelen, so schnell
es dieser Wagen zulässt.«
    Der Fahrer
schien nicht besonders begeistert. Dennoch ließ er den Motor im Leerlauf vor
sich hin brummen und gab sogar hin und wieder leicht Gas.
    Durchs
Wagenfenster konnte Don sehen, dass inzwischen alle Männer aufgestanden waren.
Einer der dunkelgrünen Rücken verschwand im Restaurant Alter Hof.
    Nach
kurzer Zeit tauchte eine junge Frau in der Tür auf und schaute zu dem Taxi mit
laufendem Motor hinüber. Sie trug gewöhnliche Kleidung, aber unter ihrer Jacke
zeichnete sich ein Pistolenhalfter ab, das sie, wie es schien, um ihren
schmalen Oberkörper gespannt hatte.
    Sie nickte
dem Ringer zu, doch erst als sie sich alleine auf das Taxi zubewegte, fiel Don
die Ähnlichkeit mit den Bewegungen des Schattens entlang der Ziegelfassade am
Hotel Langemark auf.
    Er stellte
den verschnürten Pappkarton vorsichtig auf dem Sitz neben sich ab, öffnete die
Hintertür des Wagens und stieg auf dem Kopfsteinpflaster aus. Über dem
Rathausplatz lag ein Duft nach würziger Wurst und gegrilltem Fleisch, unter den
sich der Geruch nach ausgelaufenem Bier mischte.
    Die Frau
lächelte ihm zu, doch Don hielt eine Hand hoch als Zeichen dafür, dass sie
nicht noch näher herankommen sollte. Sie blieb ungefähr zehn Meter vom Taxi
entfernt stehen, doch sie lächelte immer noch.
    »Wo ist
die Rechtsanwältin?«, fragte Don.
    »Es tut
mir leid, dass Sie all diese Unannehmlichkeiten auf sich nehmen mussten ...«,
begann die Frau auf Englisch mit leichtem italienischen Akzent.
    »Ja, ja«,
unterbrach Don sie. »Aber wo ist Eva? Ich möchte, dass Sie sie unverzüglich
herbringen.«
    Die Frau
wölbte die Hand über ihre weichen Lippen und flüsterte etwas in ihren
Funkknopf. Don blickte zum Restaurant hinüber, in dessen Butzenscheiben sich
das Taxi spiegelte.
     
    Im
Güterwaggon in Ypern schien der Rathausplatz eine sichere Wahl für die Übergabe
des Sterns: ein öffentlicher Platz, auf dem an einem Wochentag um zwölf Uhr
viele Menschen

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