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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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unterwegs sein würden. Doch jetzt, als Don leibhaftig gegen das
elfenbeinfarbene Fahrzeug gelehnt stand, schien er sich keineswegs mehr so
sicher zu sein.
    Die am
nächsten befindlichen Personen hier draußen auf dem Rathausplatz waren die
rasierten Männer hinten an den Tischen des Restaurants sowie ein paar
Schulkinder, die ungefähr fünfzig Meter entfernt vor einem Kiosk mit ihren
Skateboards herumfuhren.
    Auf einer
Parkbank hockte ein Penner mit verschlissenen Kleidern und nach hinten
geneigtem Kopf, als würde er sich sonnen, und weit entfernt auf der Treppe vor
dem Eingangsbereich der Bank saß ein Mann im Rollstuhl umgeben von einer Gruppe
schwarz gekleideter Personen.
    Die
Deutschen geizten wirklich nicht, was die Behindertenfürsorge anging. Sie
kümmerten sich wahrhaftig um ihre Patienten, dachte Don, als er sah, wie sich
das Pflegepersonal auf den kleinsten Wink des Mannes hin willig in Bewegung
setzte.
    Doch die
Augen in dem kahlen Schädel guckten auf jeden Fall in die richtige Richtung,
und der Mann schien die Absicht zu haben, sich die kleine Szene am Taxi nicht
entgehen zu lassen - eine minimale Absicherung, dass zumindest ein
Außenstehender reagieren würde, falls der Tauschhandel vollkommen schiefliefe.
    Dann
konzentrierte sich Don wieder aufs Geschehen, und ihm blieb für einen kurzen
Moment die Luft weg, als er sah, wer da in der Türöffnung des Restaurants Alter
Hof stand. Das Gesicht der Rechtsanwältin war grün und blaugeschlagen sowie
angeschwollen, und unter ihrem linken Auge befand sich ein ovaler gelblich
brauner Schorffleck, der dabei war, sich schwarz zu färben.
    »Miss
Strand, wie Sie sehen«, sagte die Frau vor ihm. »Es tut mir wirklich leid, aber
sie hat uns keine andere Wahl gelassen.«
    »Nein?«,
fragte Don, der es nun eilig hatte, so schnell wie möglich aus dieser
perversen deutschen Stadt wegzukommen.
    »Und Sie
haben ...?«, fragte die Frau und machte ein paar Schritte auf ihn zu.
    Don
versuchte sie im Auge zu behalten, während er sich auf den Rücksitz des Taxis
hinunterbeugte und den Pappkarton an den Schnüren ergriff. Hinter der Frau sah
er, wie Eva sich langsam im groben Griff des Ringers und eines weiteren Mannes
der Stiftung näherte.
     
    Als die
Rechtsanwältin endlich neben ihm stand, fragte die Frau, wie er sich die
Übergabe vorgestellt habe.
    Don hielt
das Paket mit feuchten Fingern fest und brachte keine Antwort heraus. Mit der
Zunge am Gaumen klebend musste er an das Stesoliddöschen im Taxi denken. Zur
Sicherheit hatte er vorher einige Pillen eingenommen, doch inzwischen hatte
sich das Gefühl der Betäubung wieder völlig verflüchtigt.
    »Eva ...«,
begann Don.
    Die
Rechtsanwältin schaute zu ihm hoch und verzog das Gesicht.
    »Was haben
sie denn mit Ihnen gemacht?«
    Sie
antwortete nicht, starrte ihn lediglich an. Stattdessen sagte die Frau an Evas
Seite:
    »Wenn Sie
uns nun übergeben würden, was uns gehört.« Als er in Richtung des Kartons
nickte, winkte die Frau ab: »Der Stern reicht, danke.«
    Don zog
die Verschnürung auf und ließ das Band auf das Kopfsteinpflaster fallen. Dann
öffnete er den Deckel und entfernte sorgfältig die oberste Baumwollschicht.
Darunter lag Strindbergs Stern. Er hielt den Karton so, dass die Frau ihn sehen
konnte.
    »Zufrieden?«,
fragte er, als sie eine Weile so dagestanden hatten.
    Die Frau
riss ihre schwarz geschminkten Augen von dem kleinen Gegenstand los.
    »Wir
werden sehen«, entgegnete sie. »Darf ich ...?«
    Sie
streckte eine Hand mit unlackierten Fingernägeln aus und hob den fünfstrahligen
Stern von der weichen baumwollenen Unterlage. Hielt ihn vor sich hoch und
strich irritiert einige weiße Staubkörner von der Metalloberfläche. Ihr Mund
bewegte sich, als sie seine verschnörkelte Inschrift begutachtete.
    »Sie
verstehen, was die Worte bedeuten?« Don konnte es nicht bleibenlassen zu
fragen.
    »Ja, doch
der Stern scheint mit irgendeiner Schicht überzogen zu sein«, antwortete die
Frau.
    »Er sah
genauso aus, als wir ihn gefunden haben. Stellt das ein Problem dar?«
    Die Frau
schüttelte den Kopf und steckte den Stern in ihre Jackentasche. Dann lächelte
sie erneut.
    »Ganz und
gar nicht. Es ist alles, wie es sein soll.«
    Sie
signalisierte den Männern in den Militärjacken, den Griff um die Arme der
Rechtsanwältin zu lösen. Doch Eva kam ihnen zuvor, indem sie sich losriss. Dann
warf sie einen Blick auf den leeren Karton und flüsterte Don etwas zu, während
sie langsam an ihm

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