Wallentin, Jan
so schwer
einprägen konnte. Sein Haar war seitlich bis hoch an die Schläfen ausrasiert
und auf dem Oberkopf mit Wasser nach hinten gekämmt. Er hatte ein für sein
mittleres Alter typisches Doppelkinn und trug über der Oberlippe eine Mischung
aus vereinzelten Bartstoppeln und Schnurrbart.
Unter der
Fotografie in der Vitrine waren einige Gegenstände wie ein Stillleben
aufbewahrt. Unter anderem eine Schärpe mit der Aufschrift:
Meine Ehre
heißt Treue
Neben der
Schärpe lag der Totenkopfring und der scharfkantige SS-Dolch.
Trotz
seiner Beschäftigung mit dem Ahnenerbe und den Symbolen der
Nationalsozialisten hatte Don bis zum Letzten versucht, Himmlers Burg auszuweichen.
Und jetzt im Nachhinein wünschte er, dass er nie auch nur einen Fuß in ihren
Nordturm gesetzt hätte. Da er jedoch zu einer privaten Führung gekommen war,
hatte die Museumsführerin ihm aufgeschlossen und ihn gebeten einzutreten.
Der erste
Schritt in den Obergruppenführersaal hinein war der längste, den er je gemacht
hatte, und in dem sauerstoffarmen Raum fing es vor seinen Augen an zu flimmern.
Außerdem war es damals im Juli ziemlich heiß gewesen, und durch die hohen
Fenster drang die Hitze erbarmungslos ein.
Er hatte
sich gezwungen, über den Boden mit dem Mosaik auf das schwarze Sonnenrad
zuzugehen, bis er mit seinen Schuhen auf der Mittelplatte aus Gold stand. Von
dort schaute er herum auf die zwölf Säulen, die entlang der Wände des
Turmzimmers verliefen, und begriff, dass er nun ins Innere von Bubes
50er-Jahre-Haus vorgedrungen war.
Und
dennoch hatte er absolut nichts empfunden.
Zumindest
nicht, bevor er sich zur Museumsführerin umdrehte und den beschwichtigenden
Zeigefinger vor ihrem Mund erblickte. Die respektvolle Geste hatte ihn mit
solchem Widerwillen erfüllt, dass er die Führung vorzeitig abbrechen wollte.
Doch die blonde Führerin schien seinen Gesichtsausdruck völlig misszuverstehen,
denn sie flüsterte ihm zu, dass dieses der unzerstörbare Saal der Helden
gewesen war.
Dann
führte sie ihn in die darunterliegende Krypta des Turms. Als ihm die Knie weich
wurden, hielt sich Don am Eisengeländer der Treppe fest.
Er wagte
sich bis zur Gittertür vor der Krypta vor, doch weiter schaffte er es nicht,
obwohl die Museumsführerin anbot, ihm zu öffnen. Oben an der Decke erblickte er
das Hakenkreuz, während die Führerin auf das Gasrohr wies. Der Ort für die
ewige Flamme, konnte er sich erinnern, hatte sie gesagt.
Als er
fragte, wen die Flamme denn hätte verbrennen sollen, schwieg sie. Irgendetwas
an seinem Aussehen ließ sie letztlich offenbar begreifen, woraufhin sie die
Führung für beendet erklärte. Er erinnerte sich noch, wie er dachte, dass er
gerade die Reste des Werkes eines Irren betrachtet hatte, als er die steile
Treppe zum oberen Saal wieder hinaufstieg.
»Wiligut«,
flüsterte Don.
Er ließ
die Eisenkette los, und es rasselte, als sie im Kellerloch des Westturmes gegen
die steinerne Wand zurückschlug. Durch das Geräusch hindurch meinte er ein
Schniefen zu hören. Anfänglich stand Don wie versteinert in seinem erblindeten
Zustand da, doch dann fragte eine heisere Stimme:
»Ist da
jemand?«
Er machte
ein paar Schritte vor, beugte sich hinunter und tastete sich in der Dunkelheit
vorwärts. Spürte unter seinen Fingern einen Stoff mit Knöpfen und Aufschlag.
Dann stieß er auf die warme Hand am Ende des Trenchcoatärmels.
»Eva?«
Sie zog
ihn ohne zu antworten zu sich heran, und er spürte, wie sie seinen Kopf in
einer flüchtigen Umarmung hielt.
»Können
Sie auch nichts sehen?«, flüsterte er.
»Nein, wie
sollte ich auch?«, flüsterte sie zurück. »Sie haben uns in die Burg gebracht,
nicht wahr?«
»Sie haben
uns in ihr Museum eingesperrt«, erklärte Don. »Ganz unten in den Westturm. Ich
glaube, unmittelbar über Ihrem Kopf befindet sich die Informationstafel zum
Konzentrationslager Buchenwald.«
»Buchenwald?«
»Die SS
hat die Juden aus der Umgebung nach der Kristallnacht genau hier
eingeschlossen. Sie mussten sich ein paar Wochen lang in dem engen Loch
drängeln, bevor man sie weiter nach Buchenwald schickte. Bei der Führung wurde
es als Fußnote erwähnt.«
»Waren Sie
schon mal hier?«
Er
seufzte.
»Die
Wewelsburg war Himmlers Traum von der Ritterburg Camelot. Für mich wäre es
undenkbar gewesen, nicht herzufahren.«
»Freiwillig?«
»Im
Zusammenhang meiner Forschung. Vielleicht zur Ehre der Kriegsgefangenen, die
die Burg renoviert haben. Ein paar Tausend
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