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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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Mützen und Handschuhe aus dem Paket und breitete sie auf dem
Boden des Zugsalons aus. Fand einen Eispickel, Stollen aus rostfreiem Stahl und
schließlich diverse Taschenlampen sowie einen Kasten mit Werkzeug. Fest
eingewickelt in mehrere Lagen Plastikfolie lag ein blassgrünes Bündel,
bestehend aus Dollarscheinen mit schockierend hohem Wert.
    Ganz unten
lag etwas, das aus dem Chemiesaal einer Schule hätte entwendet sein können: ein
Bunsenbrenner mit verchromtem Fuß, einem Ventil zur Feinjustierung der
Gaszufuhr und ein Propanzylinder mit befestigtem Gummischlauch.
    Nachdem
Don den Brenner auf den Boden gestellt hatte und ein letztes Mal in die Kiste
schaute, erblickte er ein Kuvert auf dem Kistenboden. Es enthielt zwei
geschickt gefälschte schwedische Pässe sowie einen kurzen Brief, der mit
bemerkenswert nachlässiger Handschrift geschrieben war.
     
    An Don
    für eine
erfolgreiche Erforschung der Unterwelt zol zayn mit mazel deine Hex, Chana
Sarah Titelman
     
    III
     
    MURMANSK
     
    Murmansk.
Achtundsechzigster Breitengrad. Nordwestrussland, an der Küste der
Kolahalbinsel oberhalb des Polarkreises. Eine Stadt umgeben von flachen Bergen,
die bereits mit Schnee bedeckt waren, einem gewaltigen Hafen, der auf das
schwarze Wasser des Nördlichen Eismeers wies, und breiten Pieren, die im Dunkel
der Morgendämmerung nur punktuell beleuchtet waren.
    Ein
einsamer klappriger Oberleitungsomnibus fuhr an einem verfallenen Mietshaus
vorbei; eine der letzten Hinterlassenschaften des Sowjetkommunismus, die in
krassem Kontrast zur Fassade des modernen Hochhauses daneben stand. Am diesem
frühen Morgen war das Hotel Russlandia noch völlig dunkel, bis ein Fenster im
neunten Stock von einem flackernden Schein erleuchtet wurde.
    Die Flamme
erleuchtete Don Titelmans Gesicht, als er das Feuerzeug an das aus dem
Bunsenbrenner strömende Gas hielt. Zuerst war die Flamme goldgelb, doch dann
bediente er geschickt den Regler, und die Farbe des brennenden Gases ging immer
stärker in ein heißer werdendes Weiß über.
    Er hob das
Drahtnetz an, auf dem Strindbergs Stern oberhalb des Kreuzes lag. Platzierte es
auf dem Gestell mit Dreifuß, so dass es direkt in der Mitte der Flamme lag.
Dann machte Don einen Schritt zurück und wartete. Nach ungefähr einer Minute
erfolgte die Reaktion, die ihn jedes Mal von neuem überraschte.
    Die
Skizzen von Nils Strindberg hatten sich im Großen und Ganzen als korrekt erwiesen.
Und doch fanden sie für die Schönheit, die hier zutage trat, nicht die
passenden Worte. Für das Bild, wie der Stern im Querbalken des Kreuzes einsank,
als das Metall zusammenschmolz, und der Gegenstand durchsichtig wurde, so dass
er aussah wie aus geblasenem Glas.
    Dann
begann der erste Stern über dem Kreuz und der funkelnden Achse des Kleinen
Wagens aufzuleuchten. Der Polarstern an seiner Spitze wuchs zu einer
zentimetergroßen Feuerkugel. Die Himmelssphäre, die Nils Strindberg blaugrau
gezeichnet hatte, offenbarte sich Don jedoch eher als frostige schwarze
Winternacht.
    Unterhalb
dieser Winternacht wurde kurz darauf der Schatten der Nordhalbkugel sichtbar,
die sich jedes Mal mit dem einsamen Punkt des Nordpols abzuzeichnen begann. Der
Punkt formte sich zu einer Eiskappe, die sich in Richtung Meer bewegte, und
ging dann in die zackige Silhouette Grönlands über. Die Küstenlinie von
Spitzbergen, die Fjorde Nordnorwegens sowie die sahnegelbe Tundra Sibiriens,
die sich bis zur Bering-Straße hin ausbreitete, wurden sichtbar. Und genau in
dem Moment, als sich die Halbkugel vollständig ausgebildet hatte, blitzte der
Polarstern wie immer in einem Lichtstrahl auf.
    Die Spitze
des Strahls schien heiß zu sein, denn als sie auf das Eis außerhalb von
Spitzbergen traf, hörte man ein Zischen. Der Strahl verharrte dort und verwies
starr auf seine Position. Don schaute auf seine auseinandergefaltete
Arktiskarte und nahm den roten Füllfederhalter zur Hand, um ein weiteres Kreuz
einzuzeichnen.
     
    Sie hatten
inzwischen fast einen Monat im Hotel Russlandia gewohnt, wo sie jeden Tag den
Bunsenbrenner anzündeten und dasselbe Experiment durchführten. Die Position
des Strahls veränderte sich im Abstand von drei Tagen, genau wie Nils
Strindberg es in seinen Laboraufzeichnungen vorhergesagt hatte, und Don und Eva
konnten seine Sprünge auf ihrer Arktiskarte verfolgen.
    Don
bewegte den Stift über das Netz von Vierecken auf der Karte. Dann setzte er die
Spitze auf den dreiundachtzigsten Breitengrad, 28 Grad und
40 Minuten Ost. Das

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