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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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Position
erreicht hätte. Doch Eva schien kein großes Interesse daran zu haben, all die
Probleme zu besprechen; das Einzige, was für sie zählte, war, so schnell wie
möglich aus Murmansk wegzukommen.
    Don hatte
versucht darauf hinzuweisen, dass der Waggon von Green Cargo nach wie vor auf
den im Schneematsch liegenden Gleisen des Güterbahnhofs in den Außenbezirken
von Murmansk stand und auf sie wartete. Vielleicht würde die Schwester sie nach
Südostasien schicken können oder an einen anderen Ort, den die Polizei nicht
erreichen konnte, und wo das Klima bedeutend wärmer wäre? Doch Eva hatte
lediglich auf all die Widrigkeiten hingewiesen, die sie bereits durchstehen
musste, und dass sie ansonsten auf eigene Faust in den Norden reisen würde, um
dem Geheimnis auf den Grund zu gehen.
     
    Als Don
hörte, wie der Duschhahn im Bad zugedreht wurde, war ihm, als wäre die Zeit in
einem Stundenglas abgelaufen. Er nahm an, dass die Rechtsanwältin sich auch
dieses Mal wieder in den Dampfschwaden im Bad ankleidete. Sie war generell sehr
darauf bedacht, ihren Körper zu bedecken.
    Um den
Strahl des Polarsterns besser sehen zu können, hatte Don alle Lampen
ausgeschaltet. Jetzt erschauderte er, als er allein in der Dunkelheit stand und
den scheppernden Geräuschen im Hafen von Murmansk lauschte. Er hatte versucht,
sein Reisefieber mit einer kräftigen Dosis Stesolid zu dämpfen, sah jedoch ein,
dass er weit mehr benötigen würde, um das Wagnis, an Bord zu gehen, zu
meistern.
    Er
steuerte auf seine Schultertasche zu, die gegen das restliche Gepäck gelehnt
stand und suchte mit den Fingern in all ihren Ecken und Winkeln. Nachdem er
einige Tabletten geschluckt hatte, begann Don vorsichtig die Arktiskarte
zusammenzufalten. Verwandelte sie in einen kleinen Folder, den er unter die
Abdeckung des Rucksacks schob.
    Dann stand
er reglos im pechschwarzen Dunkel des frühen Morgens und wartete darauf, dass
Eva fertig werden würde. Das Einzige, was Don Titelman in diesem Augenblick
durch den Kopf ging, war, dass er nie nach Falun reisen und die Tür zur
Glasveranda von Erik Hall hätte öffnen dürfen.
     
    Jamal
     
    Es war
eine Sache, den Atomeisbrecher oben vom Fenster im neunten Stock des Hotel
Russlandia aus zu betrachten. Jedoch eine völlig andere, wie ein jämmerlicher
Käfer im Schatten des haushohen Schiffrumpfes der Jamal vorwärtszukriechen,
dachte Don. Ganz oben auf dem gepanzerten Bug grinste ihm ein rot
angestrichenes Haimaul entgegen, und aus dem Inneren des Schiffs dröhnte russische
Marschmusik.
    Im Hafen
stank es nach verrottetem Tang, und die Sonne hatte es noch nicht bis über die
grauschwarze Wasseroberfläche der Kolabucht hinweg geschafft. Murmansk lag in
der Polardunkelheit, die bis zum Ende des Winterhalbjahres andauern würde.
    Mit einem
zunehmenden Gefühl der Panik stolperte Don dort unten im Schneetreiben voran.
Die morgendliche Kälte hatte ihm die Kehle zugeschnürt, und mit jedem Atemzug
bekam er schlechter Luft. Er besaß kein besonderes Zutrauen zu jeglicher Art
von Fahrzeugen und anderen technischen Einrichtungen, insbesondere nicht zu
russischen Kernkraftreaktoren. Doch inzwischen war es vermutlich bereits zu
spät, ein solches Problem vor der Rechtsanwältin aufzuwerfen.
    Außerdem
war Don viel zu müde, um mit Eva zu diskutieren, die neben ihm ging. Der
Rucksack hing ihm wie ein Stein über der einen Schulter, während er über der
anderen die Tasche mit den angstlösenden Präparaten trug. Mit jedem Schritt
schnitt sich die Kante des Bunsenbrenners tiefer in seinen Rücken, doch es
schien nicht so, als wolle die Rechtsanwältin ihm ihre Hilfe anbieten.
    Schon von
weitem konnte Don die rotleuchtenden Jacken im diesigen Licht der Laternen am
Kai erkennen. Ungefähr fünfzig Passagiere standen an der Stelle bei den
Gepäckwagen versammelt, die in der Broschüre von Bailey Expeditions angegeben
war. Um spätestens Viertel vor sieben sollte man sich am Eingang T-9 anmelden.
Dort befand sich eine Anordnung von Aufzügen, die auf das Achterdeck des
Eisbrechers hinaufführten.
    Als er näher
kam, fiel Don ein sonnengebräunter Mann auf, der eine Art Reiseleiter zu sein
schien. Der Mann hielt ein Megaphon in der einen Hand, während er sich mit der
anderen unaufhörlich durch die vom Wind zerzauste Fönfrisur fuhr.
    »Ich bin
David Bailey«, sagte der Mann und streckte die Hand zur Begrüßung aus.
    »Samuel
Goldstein«, stellte sich Don vor, »und das hier ist ... Anna, meine Frau. Wir
sind

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