Wallentin, Jan
diejenigen, die so spät gebucht haben.«
»Besser
spät als nie«, entgegnete Bailey mit einem schiefen Lächeln. »Außerdem sind
Sie nicht die Einzigen, die einen späten Entschluss gefasst haben.«
Die
Zahnreihe, die im Dunkeln aufleuchtete, war unnatürlich weiß.
Dann
kümmerte sich der Reiseleiter darum, dass Eva und Don jeder ihre rote
Expeditionsjacke erhielten. Sowohl auf dem Rücken als auch auf der Brusttasche
prangte ein rundes Logo mit dem Aufdruck »Early Fall Arctic Cruise«. Bailey
blätterte in einem Ordner mit Plastikhüllen, in denen sich Namensschilder für
alle Passagiere befanden. Don erhielt eins mit der Aufschrift »Samuel
Goldstein, Sweden, Cabin 43«.
Als sie
dastanden und warteten, schaute Don sich um und stellte fest, dass es sich in
der Mehrzahl um Rentner handelte, die in die Dunkelheit des Nordpols befördert
werden wollten. Durch den schneidenden Wind hindurch hörte man ein unruhiges
Murmeln, die alten Menschen konnten es wahrscheinlich nicht abwarten, an Bord
zu gehen.
Es klang,
als wären die meisten von ihnen Amerikaner, und viele trugen Baseballkappen
anstelle von Mützen. Jemand fingerte an seinem Hörgerät herum und versuchte
mit steifen Fingern die Lautstärke zu regulieren. Eine ältere Frau machte
ausdauernde Kaubewegungen; sie schien irgendein Problem mit ihrer Zahnprothese
zu haben, während neben David Bailey eine an Parkinson erkrankte zitternde Dame
stand, deren Rollator nicht gerade wie das neueste Modell aussah.
Nach einer
Weile hatte Don noch eine andere Gruppe unter den Mitreisenden auf der Jamal ausgemacht.
Von einigen Teenagern vernahm er Satzfetzen auf Französisch und Italienisch.
Sie hatten sich in einem Kreis um ihre Taschen mit dem Symbol des WWF herum
versammelt.
Don
erschrak, als er eine singende Satzmelodie hörte, die nur aus dem Mund eines
Schweden kommen konnte. Es war ein junger Typ mit Handy, der sich jetzt in
seine Richtung drehte.
Don und
der Schwede standen einen längeren Augenblick am Kai und starrten einander an.
Er war ungefähr sechzehn Jahre alt und trug eine Strickmütze und einen
Palästinenserschal. Doch dann sprach der Sechzehnjährige leise weiter in sein
Handy und nickte nur andeutungsweise Dons schwedischem Namensschild zu. Die
Fotos auf den Titelseiten der Zeitungen musste der Typ entweder übersehen
haben, oder sie kümmerten ihn nicht.
Um Punkt
sieben Uhr gab das Nebelhorn der Jamal ein
langgezogenes Tuten von sich. Als das Geräusch schließlich abebbte, rief
Bailey in sein Megaphon, dass es nun an der Zeit sei, an Bord zu gehen. Die
Rentner bewegten sich auf die Fahrstühle zu, die sie auf das Achterdeck des
Eisbrechers bringen würden. Eva ergriff Dons Arm, und er ließ sich, wenn auch
zögernd mitziehen.
Als er
gerade einsteigen wollte, hielt ihn ein Besatzungsmitglied brüsk zurück.
Deutete auf seinen Rucksack, der offenbar auf dem Gepäckwagen transportiert
werden sollte. Als Don ihn verwirrt ablegte, und der Wagen daraufhin
losrollte, fragte ihn Eva, ob er daran gedacht hätte, Strindbergs Stern und das
Kreuz herauszunehmen. Don schaute sie mit leerem Blick an und begann dann
heftig zu gestikulieren und dem Wagen nachzurufen, der nun entlang des
Hafenpiers bugsiert wurde. Doch seine Rufe verhallten im Wind; es war bereits
zu spät.
Er begab
sich auf die Suche nach David Bailey, um sich zu erkundigen, wo man seinen
Rucksack hinbringen, und ob er durchsucht werden würde. Bei ihm angekommen
musste er sich hinter einem anderen Passagier anstellen, der sein Gepäck
offensichtlich ebenfalls unter Kontrolle behalten wollte.
Auf dem
Namensschild des alten Mannes konnte er »Agusto Lytton« und »Argentina« lesen.
Bald begriff Don auch, dass dieser Lytton keineswegs vorhatte, ohne Begleitung
zum Nordpol zu reisen. Er hatte einige langhaarige Männer mit düsteren Mienen
und dunklen Blicken bei sich. Sie schienen dem kleinsten Wink des
Südamerikaners zu folgen und beäugten wachsam das Gepäck der Gruppe. Hierbei
handelte es sich nicht etwa um einen einzelnen Rucksack aus Stoff, sondern um
gewaltige Kisten, deren Metallgehäuse mit gelben Aufklebern und der Aufschrift
»fragile« versehen waren.
Während
der alte Mann in einer Mischung aus Spanisch und Englisch mit David Bailey
diskutierte, ließ sich Don immer stärker von seinem merkwürdigen Aussehen
beeindrucken.
Lyttons
Gesicht glich einem nackten Schädel, und seine Haut war so dünn, dass sie
aussah wie aufgemalt. Sie war durchscheinend genug, um die
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