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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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ließ ihn nicht
aus den Augen.
    »Ich
meine, ein Stern und ein Kreuz in einer vergessenen Grabkammer einer
versunkenen Stadt ...«
    Dons Augen
brannten nach vierundzwanzig Stunden ohne Schlaf.
    »Ver volt
dos gegloybt, wer sollte das glauben?« Eberlein lächelte schwach:
    »Sie
müssen verstehen ... Sven Hedin versuchte niemals, jemanden von der Bedeutung
des Fundes in der Grabkammer unterhalb von Dandan Oilik zu überzeugen. Ihm war
die ganze Geschichte nämlich bis zu seinem Tod äußerst peinlich. Denn man kann
ja unmöglich von sensationellen historischen Gegenständen berichten, die man
gefunden und später ... wieder verloren hat.«
    Er
hustete, nahm ein Taschentuch aus seiner Jacketttasche und tupfte seine Lippen
ab:
    »Furchtbar
trockene Luft hier drinnen, nicht wahr? Sie möchten doch bestimmt etwas
trinken?«
    Eva Strand
verzog keine Miene, doch Don nickte. Der Deutsche drehte sich zu der Kröte um,
die sich grummelnd aus ihrer dunklen Ecke erhob. Als sie in den Korridor
hinausgeschlurft war und dabei eine der Türen zur Bibliothek angelehnt gelassen
hatte, konnte Don die roten Strahlen des Sonnenuntergangs in den Fenstern der
Villa hinter dem Korridor und der Wendeltreppe erahnen. Dann hörte er erneut
Eberleins Stimme:
    »Wir
wissen, dass Hedin das Kreuz und den Stern mit in die Oase bei Kaschgar
zurücknahm, denn beide Objekte stehen auf seiner Inventarliste über die
Ausgrabungen. Was danach geschah, hängt vermutlich maßgeblich mit Hedins
Persönlichkeit zusammen. Er war nahezu besessen davon, jeden Gegenstand, den er
entdeckt hatte, selber in korrekter Weise zu beschreiben, bevor er ihn in die
Frachtkiste packte, die dann an die Schwedische Akademie der Wissenschaften in
Stockholm geschickt wurde. Doch bei dem Kreuz und dem Stern erwies es sich als
unmöglich. Trotz einer Reihe primitiver Versuche gelang es Hedin nicht einmal
herauszufinden, aus welchem Material die Gegenstände bestanden. Um sein
Misslingen vor seinen Kollegen zu verbergen, suchte er Rat bei einem Bekannten,
der zu besagter Zeit gerade in Frankreich weilte. Er legte das Kreuz und den
Stern in ein versiegeltes Messingetui und fügte einen Brief bei, in dem er von
seiner Entdeckung berichtete und um eine technische Beurteilung bat. Die Notiz
von der Sendung ist in Hedins Nachlass aufgeführt und erreichte, soweit wir es
herausfinden konnten, von Kaschgar aus am 2. Februar 1895 das Saint
Louis-Krankenhaus in Paris. Die Hände, die die Nieten des Etuis entfernten,
waren mit Salbe eingerieben und mit Leinenbinden umwickelt, um einen gewissen
rötlichen rauen Ausschlag zu lindern, der von langen Nächten mit alchimistischen
Experimenten hervorgerufen worden war. Diese Hände hatten einen ganzen Monat
lang kaum einen Stift halten können.«
    Im warmen
Schein der Glaslampen wirkte Eberleins Gesicht in gewisser Weise jünger; die
gräuliche Nuance war dabei zu verschwinden, und jetzt schien er nur noch
darauf zu warten, dass Don seinen Namen nennen würde:
    »Strindberg?«
    Er nickte.
Don versuchte seinen Mund geschlossen zu halten, konnte jedoch ein heiseres
Lachen nicht unterdrücken, das im Teppichboden und in den in Leder gebundenen
Buchrücken verklang. Doch der Deutsche ließ seinen Blick auf ihm ruhen und fuhr
ungerührt fort:
    »Es mag
wie ein merkwürdiges Zusammentreffen erscheinen, doch Sie müssen verstehen,
dass das schwedische Großbürgertum zu dieser Zeit aus einem sehr begrenzten
Kreis bestand. Außerdem wusste Hedin, dass Strindberg Zugang zum analytischen
Laboratorium an der Sorbonne besaß, welches zu der Zeit über eine der am
weitesten entwickelten technischen Ausstattungen in Europa verfügte.«
    Don
schielte zu Eva hinüber, doch sie verdrehte lediglich die Augen. Dann wandte
er sich an Eberlein und sagte:
    »Allein
schon der Gedanke daran, dass ausgerechnet Sven Hedin August Strindberg etwas
schicken würde ...«
    »Ja?«,
fragte Eberlein.
    »Sie
wissen doch, dass die beiden Todfeinde waren, nicht wahr?«
    »Ach,
diese Feindschaft entwickelte sich erst später! Und sie kann möglicherweise«,
fuhr Eberlein fort, »in einem gewissen Zusammenhang damit stehen, wie
Strindberg Hedins Gegenstände behandelt hat. Nein, bis 1895 hatten sie ein
gutes Verhältnis zueinander.«
    Eberlein
lächelte erneut.
    Die Sonne
musste inzwischen untergegangen sein, denn die Lichtverhältnisse in der
Bibliothek veränderten sich nicht, als die Türen aufglitten und die Kröte
zurückkam. Mit einem Knall stellte sie das Tablett auf dem

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