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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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weiter.
    »Einige
Tage später begann er sich schließlich zu fragen, ob die Gegenstände überhaupt
aus Metall bestanden. Sie reflektierten immerhin einfallendes Licht und besaßen
einen metallenen Glanz, doch wie er es auch anstellte, gelang es ihm weder das
Kreuz noch den Stern mit Elektrizität oder Wärme aufzuladen. Auf dem Metallnetz
seines Bunsenbrenners versuchte Nils Strindberg die Gegenstände nacheinander
aufzuheizen, doch selbst bei einer Hitze von 1500 Grad Celsius schienen sie
nicht beeinträchtigt zu werden. Man benötigte noch nicht einmal eine Zange, um
sie aus der Flamme zu entfernen, denn er schreibt, dass die Gegenstände selbst
nach einer halben Stunde Aufheizen kühl blieben, nahezu kalt. Erst am 27. Juni
kam der Durchbruch, auf den er gewartet hatte.«
    Eberlein
suchte mit seinen weißen Baumwollhandschuhen ein Stück weiter unten im Stapel,
schien schließlich das entsprechende Blatt gefunden zu haben und legte die
überblätterten Papiere zur Seite.
    Die Seite,
die jetzt vor ihm lag, unterschied sich stark von den vorherigen; sie war mit
skizzenartigen Zeichnungen übersät, die offensichtlich in großer Eile
angefertigt worden waren. An mehreren Stellen war die Tinte zu dunkelblauen
Flecken zusammengelaufen.
    »Wie Sie
wissen«, fuhr Eberlein fort, »konnte der Bunsenbrenner des
Berzeliuslaboratoriums eine Maximaltemperatur von ungefähr 1500 Grad erreichen.
Doch am Abend des 27. Juni hatte Nils Strindberg einen Gasbehälter mit reinem
Sauerstoff an die Luftzufuhr angeschlossen, um zu sehen, ob er die Temperatur
noch ein wenig höher schrauben konnte. Aus Nachlässigkeit, oder wenn Sie so
wollen, aus reiner Faulheit erhitzte er die beiden Gegenstände zum ersten Mal
gleichzeitig, wobei er den Stern auf den Querschaff des Kreuzes gelegt hatte.
Kurz bevor sich die blaue Flamme durch die Gaszufuhr in eine weiße verwandelte
- schmolzen die Gegenstände völlig unerwartet zusammen. Die Temperatur hatte da
gerade mal ...«
    »1220 Grad
erreicht«, ergänzte Eva Strand.
    Sie
deutete auf die Zahl vor dem Ausrufezeichen.
    »Bei 1220
Grad«, nickte Eberlein, »schmolzen die Gegenstände in der Flamme auf dem
Metallnetz des Bunsenbrenners zusammen. Nils Strindberg schreibt, dass es war,
als würde der Stern plötzlich einfach in den Querschaft des Kreuzes einsinken;
als wären die beiden Gegenstände in Wirklichkeit zwei Teile von etwas, das
einmal ein Ganzes gewesen war. Und dennoch erwiesen sich sowohl der Stern als
auch das Kreuz bei vorangegangenen Versuchen als vollkommen unempfänglich für
eine Erhitzung.«
    Don
spürte, wie eine belebende Welle in ihm aufstieg, die Metaminakapseln hatten
sich offenbar endlich aufgelöst und begannen zu wirken. Eine rasch zunehmende
Wachheit verursachte ihm ein trockenes Gefühl im Mund.
    »Sehen Sie
selbst«, forderte Eberlein sie auf und zeigte auf eine der Zeichnungen.
    In der
Mitte des skizzierten Kreuzes waren in der Tat fünf dünne Striche zu erkennen, die
Strahlen eines Sterns, der sich unterhalb der Ose an den Schaft gefügt hatte.
Neben dem Bild befand sich eine senkrecht stehende Anmerkung, die mit Bleistift
geschrieben war. Don drehte das Papier und las:
    »Im
Schnittpunkt beginnt das Navigationsinstrument ähnlich zu fließen wie
Quecksilber«
     
    Don hob
den Blick und sah Eberlein fragend an: »Das Navigationsinstrument?«
    Er schaute
erneut auf den zusammengeschmolzenen Stern und das Kreuz, das Nils Strindberg
aus verschiedenen Winkeln eilig skizziert und damit das gesamte Blatt Papier
gefüllt hatte. Ganz unten auf der Seite befand sich eine Variante, bei der die
Tinte in einen verwaschenen Halbkreis ausgelaufen war, der oberhalb des
liegenden Gegenstandes wie ein gewölbter Strahlenkranz anmutete.
    »Auf der
nächsten Seite ist es ihm noch besser gelungen, die Reaktion abzubilden«,
meinte Eberlein und blätterte weiter.
    Hier hatte
Nils Strindberg sich Zeit genommen für zwei bedeutend größere und
detailliertere Zeichnungen. Auf der oberen war das, was Don eben noch als
Tintenklecks gedeutet hatte, in eine graublaue Sphäre verwandelt worden, die
sich über den zusammengeschmolzenen Objekten wie eine Kuppel wölbte. Am oberen
Rand der Sphäre befanden sich sieben Punkte, die eine ihm bekannte Anordnung
bildeten, und am obersten Punkt stand eine weitere Anmerkung mit Bleistift.
     
    »Der
Nordstern im Flügel des Drachens«
     
    »Der
Flügel des Drachens«, sagte Eberlein. »Nils Strindbergs Bezeichnung für das
Sternbild, das wir heute

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