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Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)

Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)

Titel: Wallner beginnt zu fliegen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas von Steinaecker
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Gesicht gesehen und „Ja“ gesagt.
    „Wir haben das ja schon in unserem letzten Jahresbericht geschrieben.“ (Hat Wendy gar nicht gelesen. Oops.) „Wir haben BIBO zwar im Sinne Costin Wallners weitergeführt, also weiter neue Alben mit den alten Artists gemacht und überlegt, hätte das Costin gefallen et cetera. Dabei haben wir aber, wenn ich das so sagen darf, aufs falsche Pferd gesetzt. Auch war der Trend in den vergangenen zehn Jahren: Weg von den Majors, hin zu den Indies. Das bedeutete: Der Markt für die Indies hat zunächst expandiert. Dem verdanken wir ja auch unsere Existenz. Dann ist es aber zur Übersättigung gekommen. Der Markt ist eingebrochen. Viele Indies haben fusioniert. Eine Fusion hätte uns vielleicht Auftrieb gegeben. In Costins Testament steht aber eine Klausel, die jede Fusionierung untersagt.“
    Dr. Stefan nickt.
    Jennifer sagt: „Finanziell halten wir jetzt so gerade die Stange. Die Gewinne sind zur Zeit so, daß wir die alten Alben weiter auflegen können. Ab und zu können wir einen neuen Artist holen, wo wir dann hoffen: Das ist die Rakete.“
    Jo hat Dr. Stefan und Wendy einen geöffneten Aktenordner über den Schreibtisch geschoben und gesagt: „Hier. Da steht alles drin. Bilanzen, Verträge und so weiter und so weiter.“
    Dr. Stefan hat – Wendy denkt: Natürlich! – eine goldumrandete Halbbrille aufgesetzt und im Ordner zu blättern begonnen.
    Wendy ist auf ihrem Stuhl hin und her gerutscht. Sie denkt: Jetzt schäm ich mich aber etwas.
    Sie weiß, daß sie sich die Tage vor diesem Treffen hier was vorgemacht hat. Sie hat so getan, als sei sie noch immer die Wendy, die ganz in ihrer persönlichen postadoleszenten Wendy-Welt lebt. In der Wendy-Welt gibt es Verschwörungen, Firmen, die das Böse wollen, und Jennifer und Jo sind Oberintriganten mit fiesen Tricks und Heuchel-Mienen. In der Wendy-Welt ist Wendy die Prinzessin, die sich natürlich kein einziges Mal die BIBO -Berichte durchgesehen, die Files mit den neuesten Songs aus dem BIBO -Katalog angehört und sich auch nie mit BIBO identifiziert hat, wenn sie mal zufällig in einem Geschäft auf der Rückseite einer Megadisc ganz unten The Trustees of C. W. las, obwohl doch damit, The Trustees (Plural), sie (Singular), die alleinige Besitzerin BIBO s, gemeint gewesen ist. Wendy denkt: O Gott, Wendy. Ihr ist schon die ganze Zeit klar gewesen, daß diese ganze Idee mit BIBO verkaufen, aus BIBO Geld rausholen, BIBO blablabla, daß diese ganze Idee eine Seifenblase gewesen ist und daß sie nicht frei forschen, nicht regelmäßig ein wissenschaftliches Buch veröffentlichen, nicht auf dem Balkon in der Sonne sitzen, Therese keinen Urlaub in Thailand zahlen und nicht ihr Leben, das heißt so, wie sie das gerne hätte, sondern ein anderes, eben das mit dem Assistentenstelle-Bewerbungs-Institutsintrigen-Zirkus führen wird.
    Bei der Verabschiedung hat Jo gesagt, es habe trotz allem gutgetan, daß Wendy dagewesen war, auf dem Stuhl – er deutet auf den Stuhl, wo Jennifer gesessen hat – habe Costin immer gesessen, es sei derselbe Stuhl, der Raum sei jetzt der Konferenzraum, also eigentlich das Zimmer, für wenn sie mal Bands oder so zu Gast haben, früher sei es Costins Büro gewesen. Ja. Jetzt habe Wendy das auch mal gesehen, sie sei ja, wenn er sich richtig erinnere, noch nie hier gewesen.
    Auf der Straße denkt Wendy: Hoffentlich denkt jetzt der Dr. Stefan nicht, was für eine Zeitverschwendung, für dieses überdrehte Töchterlein, eigentlich ist der ja auch ganz attraktiv, Altersunterschied und Vaterfigur hin oder her, hm.
    Sie blinzelt Dr. Stefan an, dessen Kopf gerade die Sonne verdeckt.
    Dr. Stefan sagt: „Gut. Ich werde mir dann mal die Unterlagen ansehen und Sie demnächst wissen lassen, wie es um BIBO bestellt ist. Grüßen Sie Frau Hassel von mir, wenn Sie sie sehen.“
    16
    Sie hat sich lang gemacht, hat sich auf die Zehenspitzen gestellt und drückt die Klinke der Wohnungstür herunter. Zwei Gendarmen stehen vor der Tür. Sie erkennt sie an ihren blauen Uniformen und den komischen Mützen, die sie abgenommen haben und in der Hand halten. Da hat sie Angst gekriegt. Sie versteckt sich hinter der Mama, die schon durch den Flur gekommen ist. Sie steht hinter dem Rock der Mama, es ist ein roter Rock mit Blumen, den hat Therese gar nicht mehr, muß sie ausgemustert haben, denkt Wendy, sie steht hinter dem Rock und hält ihn mit den Händen fest und lugt ab und zu aus ihrem Versteck hervor.
    Die Gendarmen sind gekommen,

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