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Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)

Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)

Titel: Wallner beginnt zu fliegen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas von Steinaecker
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Auf-und-ab-Laufen im Zimmer.
    Wenn einer hier am Tisch fragt, was Wendy denn zur Zeit so mache, wird sie sagen, sie schreibe noch immer an ihrem zweiten Buch, das sie plane, in einem halben Jahr abzuschließen. Tatsächlich weiß niemand, daß sie offiziell zwar zur Vollendung ihres Buchs weiterhin das 12-Monats-Stipendium kassiert, das ihr vollkommen überraschend von der Uni angeboten worden war – Stiefellecken pays –, in Wirklichkeit aber die 263 Seiten ihrer Arbeit auf der Festplatte ihres rosa Retro-Apples schon lange nicht mehr angesehen und sich statt dessen hier und da eine Romanmitte vorgenommen hat, um sie weiterzuschreiben, Tolstoi liest, viel im Bett liegt, Minzbonbons kaut und über ihre Zukunft nachdenkt. Ob sie eine vernünftige Wendy sein will und sich jetzt in Bälde auf C3-Stellen bewerben soll . . . oder ob sie lieber jetzt zur Abwechslung die wahre Wendy ist, die sie sich all die Jahre zu sein nicht getraut hat, und ein bißchen mehr auf sich selber schaut, das heißt Sport treiben, gesund essen, ausgehen, schön aussehen et cetera. Auch wenn wohl mittlerweile feststeht, daß Wendy das Leben, das sie sich noch vor zehn Jahren vorgestellt hat – sie: Mutter mit Tochter und beliebigem Er, der a) fürsorglich ist und b) gut verdient –, nie führen und eben dieses Leben ein Traum bleiben wird, möchte sie doch wenigstens jemanden haben, der nicht ihr Teddybär ist und den sie abends in ihrem Bett umarmen kann, mit dem sie reden kann, der sie versteht, der sagt, wie sehr er sie mag und so weiter.
    Das einzige Hindernis auf dem Weg zur wahren Wendy könnte dabei Therese sein. Therese ist von der Leiter gefallen und liegt im Spital. Wendy fühlt sich verpflichtet, sich zu kümmern. Aber das ist es nicht. Das Problem sind die diversen Post-Spital-Szenarien, Therese im Rollstuhl, Therese mit Wägelchen, Therese bettlägerig. Wendy, die möglicherweise sogar bei Therese einziehen muß. Wendy als Pflegerin. Wendy ist die Tochter. Sie denkt: Wenn wir hier fertig sind mit dem Abendessen, muß ich unbedingt noch packen, die Magnetschwebebahn nach Salzburg morgen ist doch ziemlich früh, um zehn war die, glaube ich.
    Parsifal, Tinas neuer Freund, hat Jo gefragt, was er und Jennifer jetzt, nachdem BIBO Insolvenz angemeldet habe, vorhaben. Jo und Jennifer haben gleichzeitig zu reden angefangen, dann sofort aufgehört, sich anschauend, lachend, „Ne bitte“ sagend.
    Jo sagt: „Ich werde mal sehen, was sich so im Kulturmanagement-Bereich findet.“
    27
    „Schwester? Sind Sie das? Andrea? Ist es schon wieder Abend? So schlecht habe ich geschlafen. Und die Schmerzen werden einfach nicht besser. Da in der Hüfte. Schlafen kann ich nicht. Aufstehen kann ich nicht. Nur liegen geht. Aber das ist ja nichts. Wenn ich was halte, dann tut das auch schon weh. Können Sie nicht noch mal den Herrn Doktor fragen, wegen der Mittel.“
    „Mama?“
    Die Mama hat sich im Bett umgedreht.
    „Ach, du bist ja gar nicht die Andrea, ich habe jetzt gedacht, du bist die Andrea, na, das ist ja eine Freude, daß’d gekommen bist.“
    Wendy beugt sich zur Mama und umarmt sie.
    „Das hatten wir ja doch so ausgemacht, elf Uhr hatten wir doch gesagt, oder liege ich jetzt ganz falsch, grüß dich Gott, Mama.“
    „Nein, nein, ich erinner mich jetzt, natürlich, elf Uhr, natürlich, ich habe nur gerade gedöst, eine schöne blaue Bluse trägst du.“
    „Gehts dir gerade nicht so, soll ich am Nachmittag kommen . . .“
    „Natürlich bleibst jetzt hier, das ist alles halb so wild, alles halb so wild ist das. Nach dem Schlafen ists immer ein bisserl arg. Aber sonst bin ich ja schmerzfrei. Und beim Gehen mach ich Fortschritte. Hier durchs Zimmer bin ich schon gewatschelt. Mit der Andrea. Na, was sagst jetzt dazu? Und wenn es zu langweilig wird, da schau ich halt dann was im Fernsehen oder ich les was. Du, holst ma was zum Malen von zu Haus. Bist du so lieb?“
    Wendy hat gemerkt, daß ihr, wie sie am Bett steht und die Mama da so liegen sieht, die Tränen gekommen sind. Sie beugt sich noch mal zu ihr herunter und umarmt sie.
    „Ach, Mama, was machst du denn, Mama.“
    Wendy spürt die glühenden Wangen ihrer Mutter an ihrem Gesicht, weint sie auch? Sie kann es nicht sehen.
    „Ich weiß auch nicht. Die Schmerzen werden einfach nicht besser. Das bessert sich überhaupt nicht. Da in der Hüfte. Schlafen kann ich nicht und aufstehen auch nicht richtig und kaum, daß ich was halten kann. Man muß doch mit dem Herrn Doktor reden, wegen der

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