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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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über seinen Rücken, sein Gehirn krampfte sich zusammen, doch er kämpfte mannhaft dies vernichtende durchschauernde Angstgefühl nieder. Der Abend kam und er zwang sich, wach zu bleiben, um dem Geheimnis des Brotüberbringers auf die Spur zu kommen. Gegen Mitternacht hörte er ein leises Klingen.
    Rasch fuhr er mit der Hand nach der Stelle, von wo ihm der Ton zu kommen schien; trotz der völligen Finsternis bemerkte er, wie ein kleines Türchen geöffnet ward, aus welchem eine Hand Brot und Wasserschale in den Käfig schob.
    »Erbarmen! Erbarmen!« schrie er mit Anstrengung aller seiner Stimmkräfte, »rette mich, wer du auch sein magst; dein Lohn soll ein ungewöhnlicher sein.«
    Die Türe fiel zu; man wollte ihn nicht hören. Zugleich knirschte es in allen Winkeln des Käfigs, als ob ihn ein Erdbeben erschüttert. Was bedeutet das? Diese Beobachtung raubte dem Unglücklichen alle Kraft, noch einmal zu rufen. Er wartete den Morgen zagend ab; eine furchtbare Entdeckung sollte sich ihm, als der erste Strahl der Sonne in seinen Sarg fiel, offenbaren – er bemerkte, daß von den fünf Luftlöchern, die ihm gestern Licht boten, nur noch vier vorhanden waren und – was sich ihm am schrecklichsten aufdrang, – daß sein Behälter sich von allen Seiten aus um zwei Fuß breit verkleinert hatte. Welch entsetzlicher Verdacht stieg in ihm auf! Er sah mit stieren Augen rings an den Wänden umher, er brach in Tränen der Wut und Entrüstung aus. Es war am Tage. Er konnte es sich nicht leugnen, diese unmenschlichen Eisenwände sanken auf irgendeine mit raffinierter Bosheit ausgedachte Weise, von außen in Bewegung gesetzt, jeden Tag mehr in sich zusammen. Das rätselhafte Knirschen, das er vernommen, war die Bewegung, das Rollen der mörderischen Maschine; er sollte bei lebendigem Leibe zerquetscht werden. Nahrung bot man ihm nur, um ihn lebendig einzusargen. Welche Aussicht! Daß man ihn töten wolle, davon war er überzeugt, das hatte er längst erkannt, daß aber der Mensch an der Qual des Menschen so tierische Befriedigung finden könne, das wagte er bisher nicht anzunehmen. Welchem Kopfe mußte dieser Plan entsprungen sein; wie konnten, wenn Götter lebten, sie solches Ungeheuerliche zulassen? Es begannen sich ihm von neuem die Gedanken zu verwirren, bis er schließlich gar nicht mehr fähig war, einen Gedanken zu fassen, eine Empfindung sich klarzumachen. Sein Geist war von der Vorstellung dieser erbärmlichen, unerhörten Todesart erdrückt, seine Seele wand sich wie ein zertretener Wurm unter dem Fußtritt der ehernen Notwendigkeit: zu dulden, zu leiden. »Und das muß ich mir von ihnen gefallen lassen, ich muß es lautlos tragen,« kam es manchmal traumartig über seine blassen Lippen. In lichten Augenblicken fluchte er allem, was da atmete, selbst von den Göttern wollte er nichts mehr wissen, sie schienen ihm von den Menschen geschnitzte, hohle Larven zu sein. Er wendete sich ab von dieser Welt, in der sich solche Ereignisse zutragen dürfen. Ja, selbst an Myrrah dachte er nur wie an ein täuschendes Luftgebilde, einen ausgeklungenen, süßen Ton; es begannen Zweifel in ihm aufzusteigen, ob sie überhaupt je gelebt, ob sie nicht vielleicht ihr Dasein nur seiner erhitzten Phantasie verdanke. Mit dumpfem Grauen erwartete er die folgende Nacht, die seinen Aufenthaltsort wieder um einige Fuß verkürzen, ihn noch sargartiger gestalten sollte. Als sich in dieser Nacht die Decke so weit herabsenkte, daß er nur sitzen konnte, wobei er sie mit dem Kopf berührte und er die Arme kaum mehr auszustrecken vermochte, rang er nach Bewußtlosigkeit. Er hätte den als Freund umarmt, der ihm einen Schlaftrunk gereicht, er wimmerte um Vergessen. Oh, könnte er sich doch töten, aber es fehlte ihm jede Waffe. Warum kann der Mensch nicht zu sich selbst sagen: Ich will sterben! und er fällt als Leiche zu Boden? Warum ist er zum Leben verdammt. Die Götter fesseln ihn herzlos an dies Dasein; er ist geboren, den Tod qualvoll zu erleiden, die Gewißheit desselben vor Augen zu haben. Er hatte, als sich das Brot hereinschob, gerufen – ebenso erfolglos, wie das erstemal. Nun kam die zweite Nacht langsam heran, noch eine und er war zermalmt. Oh, wäre diese Nacht schon da. Es wird dunkler in dem engen Behälter. Der Verlassene, dies Opfer mehr als tierischer Grausamkeit, liegt am Boden, den Kopf teilnahmlos herabgebeugt. Leicht ist's dem Weisen, erhaben zu sterben, wenn der Tod rasch, menschlich und schön an ihn herantritt, aber hier?

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