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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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Wer kann sich hier würdevoll auf die Schauer des Grabes vorbereiten, in diesem pressenden Sarg? Und dennoch wird Menes ruhiger, je näher das Furchtbare, Unaussprechliche an ihn herantritt. Es ist ja bald überstanden. Das Leben hat jeden Reiz verloren, es steht vor ihm wie ein magerer, ausgehungerter Sklave, den man mit einem Handwink entläßt. Geduldig erwartet er das metallene Knirschen des Kastens, das ihn um zwei Fuß enger schiebt, nur zuweilen steigt eine wilde Empfindung in ihm auf, als müsse er, die Eisenplatten auseinandersprengend, sich Luft machen. Er überwindet die Anfalle von Verzweiflung jedoch, indem er sich selbst laut Trost zuspricht, sich ermahnt und tadelt. Er will würdig sterben. Stirbt er doch für den König im Triumph der höchsten Pflichterfüllung. Das begeistert ihn, er kommt sich selbst größer vor, eine edle Trauer breitet sich über seine ermattenden Züge. Kommt der peinliche Augenblick immer noch nicht? Krachen die Dielen nicht? Er lauscht ergeben und stemmt die Ellbogen an die Wände. So verrinnt Minute auf Minute; das Luftloch verdunkelt sich, es wird Nacht. »Armer König, dein Schicksal wird noch trauriger sein als das meine,« flüstert er noch einmal seufzend vor sich hin, dann überfällt ein dumpfer Schlummer seinen Geist. Da läßt sich ein leises Krachen dicht neben ihm vernehmen, er fährt empor, er atmet schwer auf; sein Auge rollt kraß an den Wänden seines Kerkers empor, denn jetzt naht es; der letzte Augenblick naht. »O ihr Götter!« schreit der Erbarmungswürdige »steht mir bei!« Ein dumpfes Rollen, dem ein heftiger Knall folgt, betäubt sein Ohr; er fühlt, wie die Wände aneinanderrücken, wie die Decke sinkt. »Gnade!« kreischt er auf im Wahn, der hartherzige Maschinist würde ihn vernehmen. Darauf schwindet ihm glücklicherweise die Besinnung; er hat nur noch die dunkle Vorstellung davon, als ob ihn die sinkende Decke an die Schläfe getroffen, und als ob er samt dem ganzen Behälter in die Tiefe hinabglitte. Ein ohrzerreißendes Dröhnen, wie von zerbrochenen Ketten, Rollen und Stangen raubt ihm den letzten Rest von Bewußtsein.

    Sechstes Kapitel
    Indessen entfaltete sich im Hause des Oberpriesters ein ungewöhnlich reges Treiben, eine nie gesehene Pracht. Dies sonst finstere Haus leuchtete heute durch die Nacht; aus Türen und Fenstern strömte der Glanz unzähliger Lampen, seine sonst allbekannte Ruhe ward zur wimmelnden Emsigkeit; Sklaven huschen über die Treppen, verschwinden in Kellern, tauchen hinter Teppichen hervor, tragen Schüsseln, Becher, stellen Stühle, ziehen Polster herbei. Andere geben Anordnungen, wieder andere sehen zu, während es in der ferngelegenen Küche raucht, duftet, sprüht, rasselt und prasselt, wie in einem Bergwerk. Mitten durch diese fliegenden Tafeldecker, brottragenden Bäcker, dampfenden Köche, weinbespritzten Mundschenke, schreitet gravitätisch Psenophis im Ornat, mit dem gefleckten Leopardenfell geschmückt. Er spricht wenig, seine Mienen drücken glühende Erwartung aus. Zu ihm stößt die Königin nebst ihrem Sohne; bald hat sich ein Kreis um den Priester versammelt, alle Umstehenden stecken scheu die Köpfe zusammen, ihre Unterhaltung wird in flüsterndem Tone geführt, scheue Blicke deuten an, daß die Behaglichkeit, die heitere Geselligkeit von diesen Gästen fern geblieben sind.
    »Das Fest konnte seinen Anfang nehmen,« flüstert Psenophis, »die Tische sind mit Speisen besetzt, es ist alles Nötige in Bereitschaft, nur der König läßt noch auf sich warten.«
    »Geduld,« murmelt die Königin finster, »man kommt immer früh genug zu seinem Tode.«
    Diesen Worten folgt allgemeines Schweigen; die Verschwörer stehen vor ihrem Ziele, aber die Schatten, die dem furchtbaren Ereignis voranschreiten, legen sich beängstigend auf ihre Herzen; auch der Geringste unter ihnen fühlt die Wichtigkeit, den Ernst dieser Stunde – morgen trägt die Erde ein anderes Antlitz, morgen durchbebt die große Kunde ganz Ägypten, morgen liegt ein Gewaltiger zu Boden, seinen Fäusten entsinkt die Geißel, die er über die Völker schwang, morgen werden alle Felsentempel widertönen von Klaggeheule und schon öffnet das Königsgrab seinen steinernen Mund und spricht: tritt ein, Ramses, du bist mir verfallen!
    »Die Krane des Wasserwerkes,« fährt Psenophis leise fort, »sind gestellt, ein Kind kann den Saal unter Wasser setzen. Wenn wir ihn hier haben, gebe ich keine Dattel für sein Leben. Doch in mir steigt eine bange

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